Die heilige Kuh macht uns zum Ochsen

Politik / 07.03.2025 • 12:44 Uhr
Die heilige Kuh macht uns zum Ochsen

Österreich wird regiert – oder sagen wir lieber bevölkert – von Kindersoldaten. Nicht von jenen mit Kalaschnikows in den Händen, sondern von jenen mit Instagram-Accounts. Eine Generation, die Politik mit einem Influencer-Job verwechselt und Regierungsarbeit für eine erweiterte Form der Selbstverwirklichung hält. Während in den Schützengräben der internationalen Politik Ernsthaftigkeit, Strategie und Haltung gefragt wären, zieht die hiesige Regierung mit Emojis und Hashtags in die Schlacht. Ein Staatssekretär – ein politisches Küken – postet auf Instagram: „Ich bin gerade mit meinem Team zu meinem ersten Interview, zu „Heute“, unterwegs und ich freue mich drauf.“ Eine offizielle Verlautbarung? Der Launch einer neuen PR-Kampagne? Gratistageszeitung. Peinsam. Hannah Arendt hätte ihre Freude an dieser Banalität des Politischen. Und weil ja schon so viel zitiert wurde – Karl Kraus hätte trocken bemerkt: „Ich verlange von der österreichischen Regierung gar nichts mehr. Aber das mit größerer Leidenschaft als je zuvor.“

Während man in Wien also noch über Posting-Texte sinniert und sich über die richtige Schriftart in der Insta-Story streitet, brennt Europa lichterloh. Krieg an der EU-Außengrenze, Trump verputint, die Weltordnung kollabierend. Nach Brüssel reist da Bundeskanzler Christian Stocker zur Antrittsvisite. Besser: Er pilgert. Sprechend sprachlos. Ein Häufchen Unsicherheit, das sich selbst überlassen wurde. Sein Beitrag zur geopolitischen Lage, konkret zu Beistandsverpflichtungen? Wörtlich: „Man wird sehen, was die Zukunft bringt.“ Henry Kissinger: „Wenn du nicht weißt, wohin du gehst, bringt dich jede Straße ins Nichts.“ Bringschuld wäre es, uns aber holt der Teufel.
Derweil Vizekanzler Andreas Babler. Auch er reist nach Brüssel. Nicht weil dort Politik zu machen wäre, der Kompromiss zu finden, sondern um sich bei seinen Genossen zu wärmen. Teilnahme an einem sozialdemokratischen Fraktionstreffen und nicht Teilhabe in der europäischen Schaltzentrale, wo die Weichen für Krieg und Frieden gestellt werden. Politische Pubertät in Echtzeit. Man würde es tragisch nennen, wäre es nicht so lächerlich.

Einzig Außenministerin Beate Meinl-Reisinger scheint zu wissen, dass die Welt keine Instagram-Story ist. Dass man sich nicht hinter Bildchen verstecken kann, wenn es darauf ankommt. Redet sie mit, verhandelt sie, versucht sie, für Österreich noch irgendeinen Platz am Tisch zu sichern? Es ist jedenfalls ein einsamer Kampf, Österreich hat sich längst aus dem Spiel genommen.

Denn die heilige Kuh macht uns zum Ochsen: die Neutralität. Ich weiß, das bringt mir wieder Morddrohungen ein, doch es will wieder gesagt werden: Diese Neutralität, niemals eine Versicherungspolizze, 1955 nur der Freifahrschein aus der Besatzungszeit, ist ein Nonvaleur, gezeichnet laut jüngster Umfrage von 78 Prozent der Bevölkerung. Schlimmer noch – ein EU-Kommissionsmitglied sagte zu mir, ohne Ironie, aber mit einer Portion Mitleid, vielleicht auch Verachtung: „Ihr seid absolute Außenseiter. Wir sehen in Europa bei Österreich keinen Willen, keine Macht und keinen Verlass.“

Die Welt wankt. Österreich wankt mit. Doch statt sich irgendwo festzuhalten, macht man Selfies. Und postet dazu: „Bin unterwegs, freue mich drauf.“