Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Auferstehung

Politik / 10.03.2025 • 07:05 Uhr

Eine einst vielgepriesene Einrichtung, lange Zeit im Abseits, feiert Auferstehung: Die Sozialpartnerschaft. Wir werden vermutlich nie ganz erfahren, wie ÖVP und SPÖ doch noch zusammengefunden haben. Beim Scheitern der Dreierkoalition Anfang Jänner war jedenfalls ÖGB-Chef Katzian in den USA. Umgekehrt war Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer der Erste, der der FPÖ die rote Karte gezeigt hat. Nebenbemerkung: Dass durch Herbert Kickls Sturheit keine Regierung zustande kam, stößt jetzt auch bei führenden Freiheitlichen auf Kritik. Die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek in den SN: „Es bleibt, dass es Kompromissfähigkeit braucht und sich 100 Prozent Umsetzung nicht ausgehen wird. Deshalb sollten wir reden.“ Jedenfalls spricht einiges dafür, dass die Sozialpartner Mahrer und Katzian nach Kickls Scheitern rasch die Basis für einen „Kompromiss der Sozialpartnerschaft mit liberalem Mäntelchen“ (Oliver Pink in der „Presse“) gefunden haben.

Die Sozialpartnerschaft hat lange zur wirtschaftlichen und sozialen Stabilität beigetragen. Eng verbunden mit den Namen des ÖGB-Präsidenten Anton Benya und des Wirtschaftskammer-Präsidenten Rudolf Sallinger. Beide aus unterschiedlichen Lagern. Benya als Befürworter sozialer Gerechtigkeit, Sallinger als Vertreter wirtschaftlicher Interessen. In regelmäßigen Treffen wurden Lohnverhandlungen geführt und wirtschaftliche Rahmenbedingungen festgelegt. Arbeitskämpfe und Streiks wurden vermieden. Leitmotiv war, was der Bundespräsident jetzt den Dreierkoalitionären ins Stammbuch geschrieben hat: Kompromiss. Schon in den Achtzigerjahren wuchs die Kritik. Viel werde hinter verschlossenen Türen ausgeschnapst, Veränderungen würden blockiert. Unter der schwarz-blauen Regierung wurde ab 2000 die Partnerschaft bewusst geschwächt. Die Pensions- oder die Gesundheitsreform wurden ohne die Sozialpartner beschlossen. Vollends ins Abseits gedrängt wurden sie unter Türkis-Blau unter Sebastian Kurz. Etwa der 12-Stundentag wurde ohne Konsultation der Sozialpartner eingeführt. Unter massiver Kritik der Gewerkschaften und der SPÖ bei gleichzeitigem Beifall von Wirtschaftsliberalen.

In der neuen Regierung stammen viele Mitglieder zumindest aus dem Umfeld der Sozialpartner. Die Kompromissfähigkeit von Benya und Sallinger müssen sie erst hinbekommen. Diese Woche gab es einen Vorgeschmack. Dass die ÖVP der SPÖ das Finanzministerium überlassen hat, und nicht etwa das Innenministerium, dürfte für manche Schwarze schwer verdaulich sein. Der FPÖ das Innenministerium nicht zu geben, ist gerade im Zug des aktuellen Prozesses gegen den früheren FPÖ-Abgeordneten Jenewein und der massiven Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wegen Gefährdung der Staatssicherheit sehr verständlich. Aber warum kein SPÖ-Innenminister? SPÖ-Finanzminister Marterbauer kämpft jedenfalls mit offenem Visier. Er fühlt sich dem französischen Ökonomen Thomas Piketty verbunden. Dessen wichtigste Erkenntnisse drehen sich um Einkommens- und Vermögensungerechtigkeiten in kapitalistischen Gesellschaften. Er schlägt progressive Einkommenssteuern, eine globale Vermögenssteuer und höhere Erbschaftssteuern vor, um Vermögen gerechter zu verteilen. Marterbauer hat Piketty vor Jahren zu einem Vortrag nach Wien eingeladen. Bereits in seiner ersten Woche hat der neue Minister eine Sondersteuer für Energieunternehmen vorgeschlagen. Die steht nicht im Regierungsübereinkommen und wurde jetzt auch abgesagt. Hinter den Kulissen soll Marterbauers sozialpartnerschaftliches Pendant in der Regierung, Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer (ÖVP), die Fäden gezogen haben. Aber man kann sicher sein, dass der Finanzminister noch weitere Vorschläge in petto hat, die der Wirtschaft nicht schmecken.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.