Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Dumm und dreist

Politik / 14.03.2025 • 07:05 Uhr

Wer es schafft, das Regierungsprogramm mit dem Titel „Jetzt das Richtige tun“ bis Seite 207 durchzuscrollen, wird für sein Durchhaltevermögen mit einer besonderen Kuriosität belohnt. Unter dem Titel „Transparente Personalauswahl und -besetzung“ werden „Vorschlagsrechte“ für die Postenvergabe von vielen leitenden Funktionen in dieser Republik zwischen den Koalitionsparteien ÖVP, SPÖ und Neos einträchtig vergeben. Bei etwa 100 Stellen habe ich zum Zählen aufgehört.

Die Österreicherinnen und Österreicher hätten sich eine Regierung verdient, die transparent ohne Sideletter arbeitet, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger dazu. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Transparent ist es schon, wenn klar ist, dass Personen, die sich für die stellvertretende Leitung der Datenschutzbehörde interessieren, bei Frau Meinl-Reisinger anklopfen müssen (diese Funktion steht nämlich den Neos zu), für den stellvertretenden Präsidenten des Bundesfinanzgerichts aber bei Vizekanzler Babler. Ein Fortschritt ist diese Verschriftlichung österreichischen Postenschachers gewiss nicht. Fest steht, dass Stellenausschreibungen, Hearings und Auswahlkommissionen in all diesen Fällen Formalitäten sind, denn es entscheidet letztlich „die Politik“. Dasselbe gilt für die Worte des Regierungsprogramms, dass „stets bestqualifizierte Personen ausgewählt“ werden. Es wird hoffentlich der Fall sein, dass keine völlig ungeeigneten Personen bestellt werden, aber ÖVP, SPÖ und Neos stellen klar: Die wichtigste Qualifikation ist und bleibt in Österreich die (richtige) Parteinähe.

Nachdem auf Seite 125 des Regierungsprogramms von einer „Stärkung der Unabhängigkeit“ der Verwaltungsgerichte gesprochen wird, liest es sich ganz schön dreist, wenn ÖVP und SPÖ sich auf den Seiten 206 und 209 die Spitzenfunktionen am Verwaltungsgerichtshof (von wo übrigens die neue Justizministerin der SPÖ rekrutiert wurde), dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht untereinander aufteilen. Schon längst haben EU-Kommission und andere internationale Institutionen auf die Besetzung solcher Posten durch die Politik ein kritisches Auge geworfen. Dazu kommt die parteipolitische Aufteilung von Behörden wie der Finanzmarktaufsicht oder der Datenschutzbehörde, die nach EU-Vorgaben unabhängig sein sollen. Der EU im Regierungsprogramm transparent zu machen, dass alle ihre rechtsstaatlichen Bedenken gegenüber Österreich berechtigt sind, ist nicht nur dreist, sondern auch dumm. Haben wir so etwas verdient?

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.