Plakolm: “Aktuell ist es eher eine Zuwanderung in die Arbeitslosigkeit”

Politik / 17.03.2025 • 10:50 Uhr
Claudia Plakolm
Claudia Plakolm ist Teil der neuen Bundesregierung und verantwortet als Kanzleramtsministerin Integration, EU, Familie und Jugend.

Die designierte Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) will mehr gemeinnütziges Arbeiten bei der Integration einfordern. Vorarlberg könnte hier Vorbild werden.

Wien Claudia Plakolm ist seit wenigen Tagen in ihrem neuen Büro im Bundeskanzleramt. Eine persönliche Note ist schon zu erkennen: Statt eines Schreibtisches, hat sich die 30-Jährige für einen weißen, schmucklosen Stehtisch von Ikea entschieden, darauf steht schlicht ein Telefon. Zentrum ist ein großer Besprechungstisch. Sie zeigt auf eine Ecke des Prunkraums, auf einem bemalten Spiegel: “Diesen werden junge Künstler regelmäßig bespielen. In diese ehrwürdigen Räume des Bundeskanzleramtes kann man durchaus ein bisschen an Pepp und Farbe reinbringen.”

Familie, Integration, EU, Jugend: Was hat jetzt aktuell bei Ihnen Priorität?

Priorität hat das Regierungsprogramm. Als Europaministerin werde ich jetzt zuallererst unsere guten Kontakte zu unseren Nachbarländern und innerhalb der EU wieder stärken. Wir müssen uns weiter gut vernetzen, genauso wie am Westbalkan. Als Integrationsministerin betrifft mich auch das Thema Familiennachzug.

Der Vorarlberger Kodex soll laut Landeshauptmann Wallner bald in ein Gesetz gegossen werden. Ist dieses Modell auch österreichweit denkbar?

Definitiv. Wir verlangen ganz einfach von den Menschen, die hier leben wollen, dass sie die deutsche Sprache lernen, dass sie arbeiten wollen und dass sie bereit sind, unsere Regeln und unsere Werte zu akzeptieren. Wenn sie das nicht tun, muss es Konsequenzen haben, sonst wäre es zahnlos. Wir haben einen starken Hebel in der Hand, nämlich unser Sozialsystem.

Laut Caritas wollen die Asylsuchenden in Vorarlberg sogar mehr arbeiten, als Jobs da sind. Wie kann man Gemeinden stärker in die Pflicht nehmen, um diese ehrenamtlichen Pflichtjobs auch wirklich anbieten zu können?

Im Integrationspfad wollen wir gemeinnütziges Arbeiten mehr in den Fokus nehmen. Wir haben die Situation, dass zwei Drittel der Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten unser lateinisches ABC nicht beherrschen. Ein Drittel ist wiederum nicht einmal in der eigenen Muttersprache alphabetisiert. Das macht es viel, viel schwieriger, Deutsch zu erlernen. 48.000 Menschen mit positivem Asylbescheid sind arbeitslos. Ja, Fachkräfte sind bei uns immer herzlich willkommen, aber aktuell ist es eher eine Zuwanderung in die Arbeitslosigkeit. Daher setzen wir den Familiennachzug aus.

Claudia Plakolm
Claudia Plakolm: “Daher setzen wir den Familiennachzug aus.”

Eine Möglichkeit zur frühen Integration war die Caritas-Nachbarschaftshilfe, die trotz großer Kritik vor Jahren ausgesetzt wurde. Wäre es sinnvoll, solche Programme wiederzubeleben?

Es gab in der Vergangenheit viele gute Angebote, wie die Menschen ihre Zeit sinnvoll verbringen können, bis eine Entscheidung bei ihrem Asylantrag fällt. Was wir nicht wollen, ist, dass Menschen nach Österreich kommen, die sich ein schönes, abgesichertes Leben bereiten wollen, das wir durch unsere großzügigen Sozial- und Familienleistungen auch haben. Ein Leben, das vielleicht noch ein bisschen aufregender mit Jugendkriminalität oder mit Krawallen gemacht wird. Davor schützt definitiv auch gemeinnützige Arbeit.

Die Probleme sind nicht abzustreiten. Allerdings, um wieder Vorarlberg heranzuziehen, haben im Vorjahr schon ohne Druck 600 Asylwerber 50.000 Stunden gemeinnützige Arbeit geleistet. Verbreitet das nicht auch ein Stimmungsbild, wenn man nur auf die Pflicht hinweist, aber diese freiwillige Arbeit, die schon geleistet wird, nicht auch hervorhebt?

Ohne Pflicht kann man es nicht einfordern. Wir sprechen klar aus, was wir uns von den Menschen erwarten, die nach Österreich kommen.

Weiters ist das Kopftuchverbot für Unter-14-Jährige geplant. Werden diese Mädchen und jungen Frauen bei der Umsetzung unterstützt, falls es Druck von zu Hause gibt?

Religionsfreiheit wird bei uns hochgehalten, aber endet dort, wo die Selbstbestimmung begrenzt wird. Es ist ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen, wenn Volksschülerinnen ein Kopftuch tragen. Nächste Woche treffe ich Expertinnen und Experten, um Begleitmaßnahmen zu besprechen, um die Eltern in die Pflicht zu nehmen oder in nächster Konsequenz auch die Kinder- und Jugendhilfe einzuschalten.

4- bis 5-JŠhrige in KindergŠrten 2022/23, Quelle: BMBWF; Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie§lich Kunden mit einer gŸltigen Vereinbarung fŸr Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. FŸr weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 0982-24, 88 x 68 mm

Sie werden künftig mit Migrationskommissar Magnus Brunner viel zu tun haben. Es könnte auch inhaltlich nicht immer einfach werden?

Ich finde seinen Vorschlag zu den Rückführungen und zu den Maßnahmen, die die EU in der Asyl- und Migrationspolitik setzt, sehr begrüßenswert. Und es zeigt ja auch, dass Österreich hier immer die richtigen Themen vorangetrieben hat.

Beim Stopp des Familiennachzugs hat Brunner jetzt nicht direkt widersprochen, aber er hat schon ausrichten lassen, dass europäisches Recht eingehalten werden muss.

Deswegen haben wir im Ministerrat festgehalten, dass die Expertinnen und Experten, die das rechtlich ausgestalten, sich genau anschauen, wie wir auch in Europa Verbesserungen anstreben können. Ich bin schon eine, die die klare Vorstellung hat, dass wir Gestalter in der Europäischen Union sein müssen. Bei diesen großen Fragen innerhalb der EU werden wir sicherlich an einem Strang ziehen.

Ihre Vorgängerin bei den Familienagenden hat diese Zuschreibung dezidiert abgelehnt. Wie ist das bei Ihnen: Können Sie sich als Feministin bezeichnen?

Ich bin eine Feministin, wenn es um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern geht. Ich bin keine Feministin, wenn es um die Bekämpfung von Männern geht.

Plakolm: "Aktuell ist es eher eine Zuwanderung in die Arbeitslosigkeit"