Michael Prock

Kommentar

Michael Prock

Kommentar zur Gemeindewahl: “Die ÖVP muss den Draht zur Bevölkerung wieder suchen”

Politik / 30.03.2025 • 18:55 Uhr

Bürgermeisterpartei ÖVP? Diese Zeiten sind wohl vorbei. Zwar stellt die Volkspartei in Vorarlberg immer noch die meisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – doch die Macht in den Rathäusern bröckelt. Der Verlust in Dornbirn ist mehr als nur ein Schuss vor den Bug für die ÖVP. Sie muss den Draht zur Bevölkerung wieder suchen.

Julian Fässler hat es nicht geschafft, die eigenen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren. Bei der Bürgermeister-Stichwahl holte er 38 Stimmen weniger als im Grunddurchgang vor zwei Wochen. Markus Fäßler wiederum konnte seine Stimmenzahl fast verdoppeln: von 4793 auf 9601. Diese Wählerbewegung haben wir schon bei den Machtwechseln vor fünf Jahren gesehen: In Hard stagnierte die ÖVP-Kandidatin nach dem Sieg im Grunddurchgang, der SPÖ-Kandidat verdoppelte die Stimmen. In Bregenz überholte der SPÖ-Kandidat ebenfalls den ÖVP-Kandidaten. Heuer feierte Michael Ritsch schon im Grunddurchgang den Sieg. Und Martin Staudinger nahm in der Stichwahl wieder die Überholspur, wenn auch knapp. Haben die Wählerinnen und Wähler der anderen Fraktionen die Wahl zwischen einem ÖVP-Kandidaten und einem anderen, entscheiden sie sich mittlerweile für den anderen – außer der Kontrahent ist von der FPÖ. Was den roten Kandidaten gelingt, blieb den blauen in Lustenau und Nenzing verwehrt.

Dazu kommt: Es ist unpopulär geworden, sich zur ÖVP zu bekennen. Eine Aufzählung der Volkspartei selbst beweist dies. 2020 kandidierten in 33 Gemeinden Listen unter der ÖVP-Flagge. Heuer waren es 23. Nicht nur, weil sich in Hörbranz und Zwischenwasser kein ÖVP-Kandidat mehr fand. In Nenzing, St. Anton, Klaus, Alberschwende, Silbertal, Hard und Lauterach ist die ÖVP aus dem Listennamen verschwunden oder in einer Einheitsliste aufgegangen. Besonders in Hard war es ganz wichtig zu betonen, keine ÖVP-Liste mehr zu sein, sondern überparteilich – was jetzt durch eine Wahlanfechtung zum Bumerang werden könnte. Auch in Nenzing bekräftigte der neue Bürgermeister Michael Hartmann nach dem Wahlsieg noch einmal, nicht bei der ÖVP zu sein. Wo ist der Stolz der Funktionäre auf ihre Volkspartei geblieben?

Vorarlberg war seit dem Zweiten Weltkrieg eine sichere Bank für die ÖVP. Die absolute Mehrheit im Landtag ist längst dahin. Nun bröckeln auch die Gemeinden. Bregenz war schon rot. Bludenz war auch schon rot (und ist heuer die Ausnahme der Regel, Simon Tschann triumphierte als deklarierter ÖVP-Politiker bravourös). Hohenems scheint die ÖVP derzeit aufgegeben zu haben. Feldkirch wackelte. Aber Dornbirn? Lange Zeit war dort höchstens der Stadtbus rot. Dass das Rathaus jemals dieselbe Farbe annimmt, galt bis vor wenigen Wochen als Science Fiction. Die SPÖ stellt jetzt zwar nur vier Bürgermeister. Aber jeder vierte Vorarlberger wird von einem SPÖ-Bürgermeister regiert.

Ist die ÖVP nur noch erfolgreich, wenn es darum geht, die FPÖ zu verhindern? Sie muss sich fragen, weshalb sie für Anhängerinnen und Anhänger anderer Parteien derart an Attraktivität verloren hat. Dornbirn ist mehr als ein Warnschuss. Schafft es die ÖVP in den kommenden Jahren nicht, den Anschluss zur Mehrheit der Bevölkerung wieder herzustellen, müsste sie sich komplett neu definieren. Dann nämlich wäre es das gewesen, mit der Bezeichnung Volkspartei.