Wie im Gesundheitswesen gespart werden kann: “Das wird richtig viel Wirbel geben, aber wir werden das durchziehen”

Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher erläutert im VN-Interview, wie sich das Spitalswesen im Land verändern soll.
Bregenz Im Gesundheitswesen liegt der Schlüssel. Gesundheit und Soziales machen zusammen ein Drittel des Landesbudgets aus. Kein Wunder also, dass der Spardruck der öffentlichen Budgets besonders in diesen beiden Bereichen zu spüren ist. Die VN haben Martina Rüscher gefragt, wie Sparen im Gesundheitswesen aussehen könnte. Und wo die Schwierigkeiten liegen.
Was bedeutet der Spardruck für das Gesundheitssystem im Land?
Martina Rüscher Der Konsolidierungspfad muss Niederschlag finden. Wir können ja nicht sagen, dass wir uns ein Drittel des Budgets nicht ansehen.
Wie sieht es finanziell aus?
Rüscher Wir haben im Landesgesundheitsfonds Ausgaben von rund 715 Millionen Euro. 700 Millionen davon sind für die sieben Spitalstandorte im Land. Davon bleibt ein Abgang von 340 Millionen Euro übrig. Personalkosten machen rund 65 Prozent der Spitalkosten aus. Wir müssen uns anschauen, wie wir Mitarbeitende strukturell entlasten können. Personelle und finanzielle Ressourcen müssen effizient genützt werden. Dazu zählen Maßnahmen wie das Erstversorgungsambulatorium.

Und Sie möchten Abteilungen zusammenlegen.
Rüscher Wir starten im Mai die fachspezifischen Dialoge. Wir wissen schon, welche Fächer wir uns ansehen werden. Wir können uns personell und finanziell nicht mehr leisten, an zwei oder drei Standorten, die zehn Minuten voneinander entfernt sind, dasselbe Fach offen zu halten. Das können wir übrigens auch in der Qualität nicht verantworten.
Wie schwierig wird die Zusammenlegung?
Rüscher Das wissen wir im Sommer. Jetzt sind noch viele Fragen offen. Etwa, was eine Zusammenlegung für die OP-Auslastung oder für die Anästhesie in einem Haus bedeutet. Das schauen wir uns jetzt für jedes Fach an. Das wird richtig viel Wirbel geben, aber wir werden das durchziehen. Wir wollen heuer im November den Plan in jedem Haus präsentieren und ihn am Ende des Jahres beschließen.
Wie viel Geld möchte man damit sparen?
Rüscher Es geht weniger um das Sparen, sondern um das Einbremsen der Kostensteigerung.

Braucht es sieben Spitäler in Vorarlberg?
Rüscher Diese Frage bekomme ich immer wieder gestellt. Die kleineren Einheiten haben sich bewährt, gerade in der Pandemie. Wir sind agiler, flexibler und können ein Haus schneller verändern. Man ist näher am Team und an den Patienten. Und: Würden wir einen Standort schließen, müssten wir woanders einen Neubau hinstellen, um die Betten aufzufangen. Diese Mittel haben wir nicht. Außerdem bauen wir gerade an einigen Standorten, andere haben wir saniert. Das muss sich auch amortisieren. Aber man muss sich das Thema immer wieder anschauen.
Also sind Spitalschließungen nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich.
Rüscher Genau.
In Vorarlberg ist die Zahl der Krankenhausbetten in den letzten zehn Jahren um 100 zurückgegangen. Wie viel Betten braucht das Land?
Rüscher Auch das werden wir in den Dialogen diskutieren. Wir sehen einen Trend zur Ambulantisierung. Patienten möchten lieber tagesklinisch versorgt werden und schnell wieder nach Hause.

Ist es sicher, dass Patienten das möchten? Oder schickt man sie einfach früher?
Rüscher Wenn sie die Wahl haben, ziehen Patienten in der Regel die tagesklinische Versorgung vor. Die Medizin verändert sich, die Eingriffe werden weniger aggressiv, dementsprechend auch die Liegezeit. Wichtig ist aber auch, dass wir mit den Betten die Spitzen abdecken können.
Der Spitalsabgang wird zu 60 Prozent vom Land und 40 Prozent von den Gemeinden getragen. Manche Bürgermeister fordern eine Änderung dieses Schlüssels. Was halten Sie davon?
Rüscher Unser Ziel ist keine Schlüsselverlagerung, weil die Situation auf keiner Seite besser aussieht. Auch das Land ist finanziell sehr gefordert. Es nutzt nichts, die Ausgaben von den Gemeinden zum Land zu schieben, dann müssten wir die Zuständigkeiten auch wieder hinterfragen. Das Prinzip der solidarischen Finanzierung hat sich grundsätzlich bewährt. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen.
Sind Sie zusatzversichert?
Rüscher Nein. Ich vertraue auf das öffentliche Gesundheitssystem.

Dann könnte es sein, dass Sie momentan fünf Monate auf einen MRT-Termin warten. Mit einer Privatversicherung hätten Sie morgen einen Termin. Haben wir eine Zwei-Klassen-Medizin?
Rüscher Das ist eine schwierige Frage. Beim MRT sind wir als Land nicht zuständig, das ist Sache der Selbstverwaltung. Aber mich stört das seit Jahren. Wenn ich solche Rückmeldungen bekomme, dann betreffen sie zu 80 Prozent MRT-Termine. Das funktioniert nicht. Und wir machen zu viel MRT-Bilder. Viele wären gar nicht notwendig. Wir könnten neue Geräte aufstellen, sie wären über Nacht wieder voll.
Warum ist das so?
Rüscher Wir haben den Trend, dass vor allem junge Ärztinnen und Ärzte Richtung Absicherungsmedizin tendieren und sagen, dass sie sicherheitshalber nichts übersehen möchten. Und wir haben den Trend, dass Patientinnen und Patienten nur dann das Gefühl haben, richtig untersucht zu werden, wenn sie eine MRT-Untersuchung bekommen. Man ist quasi ein schlechter Arzt, wenn man kein MRT bewilligt. Der Druck auf die Ärzteschaft ist hoch. Mit einer besseren Steuerung können wir das lösen. Dazu braucht es einerseits klare Kriterien, wann ein MRT genehmigt wird. Damit wird dem Arzt die Entscheidung vor Ort abgenommen. Und es braucht eine Terminservicestelle. Dort wird sofort klar, in welchem Institut Termine frei sind. Die Lösungen sind bereits veranlasst und in Umsetzung.
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Rüscher In den Spitälern nicht. Im MRT-Bereich derzeit ja.
