Christian Rainer

Kommentar

Christian Rainer

Kommentar: Lasst den Bezauer Gemüsehändler budgetieren!

Politik / 18.04.2025 • 15:23 Uhr

 „Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Mund. ,Ich, der Staat, bin das Volk.’“

Friedrich Nietzsche

Österreich steuert auf ein Defizit von historischen Ausmaßen zu, und niemand ist schuld. Es sei, so tönt es jetzt allenthalben aus den Regierungskorridoren, vor allem die schwache Konjunktur. Oder, alternativ, seien es die gestiegenen Arbeitslosenzahlen. Oder, besonders elegant, beides ist es. Das klingt seriös, ist aber in etwa so glaubwürdig wie ein Diätplan, der bei einer wöchentlichen Zunahme von zwei Kilo behauptet, man lebe „im Kaloriendefizit“.

Die Realität ist banaler und gleichzeitig beschämender: Der Staat gibt rund acht Prozent mehr aus, nimmt aber nur vier Prozent mehr ein. Das hat die Tageszeitung „Die Presse“ jüngst haarklein vorgerechnet. Man muss nicht Atomphysik studiert haben, um zu wissen: Das geht sich nicht aus und zwar ganz grundsätzlich nicht.

Doch statt eines politischen Aufschreis erleben wir das Gegenteil: ein Schulterzucken in Zeitlupe, begleitet von absurden Stellungnahmen aus Regierung und Opposition, wie aus einem schlecht gelaunten Kasperltheater. Die Grünen, bis vor Kurzem noch Mitgestalter dieser finanzpolitischen Misere, warnen nun – anscheinend mit völligem Gedächtnisverlust – vor „falschen Sparmaßnahmen“ und betonen die Notwendigkeit „zielgerichteter Investitionen“. Als wäre das ein Kinderspiel: noch ein paar „Zukunftsinvestitionen“ drauf und alles wird gut.

Und die FPÖ? Der freiheitliche Budgetsprecher Arnold Schiefer, dessen Partei bekanntlich vor wenigen Jahren ebenfalls Regierungsluft geschnuppert hat, beklagt nun „völlig unzureichende Konsolidierungsmaßnahmen“. Zur Erinnerung: In jener kurzen, düsteren Phase, als Herbert Kickl beinahe Bundeskanzler geworden wäre, wollte man mit einem Budget-Einspareffekt von sechs Milliarden Euro ein EU-Defizitverfahren abwenden.

Dieses „Verfahren“ – das nun tatsächlich kommt – ist freilich nicht das eigentliche Problem. Es ist nur die Konsequenz aus politischer Kurzsichtigkeit, populistischer Geschenke und struktureller Unfähigkeit (das ganze gepaart mit einer ordentlichen Virenlast).

Und was passiert jetzt? Nichts. Im Regierungsprogramm? Kein Leuchtturmprojekt. Kein mutiger Vorschlag. Kein substanzieller Hinweis, wie man dieser Misere begegnen will. Die Reform des Pensionssystems? Tabu. Die Beschneidung der ausufernden Förderungen? Unangenehm. Ein föderaler Finanzausgleich, der die Länder zur Verantwortung zieht? Politischer Selbstmord.

Stattdessen wartet man – wie immer – auf die nächste Wahl, dieses Mal in Wien. Und weil das Budget erst danach im Parlament verhandelt wird, kann man davon ausgehen, dass es sich bis dahin um eine Art Schockspirale handelt: täglich neue, noch schlimmere Zahlen, täglich neue Schuldige – nur eben nie unter den politisch Verantwortlichen. (Und nein, die Migration ist nicht schuld. Auch wenn man sich bei mancher Reaktion aus dem rechten Lager wundert, warum das Thema noch nicht in die Budgetdebatte hineingezerrt wurde. Vielleicht kommt das noch.)

In Summe bleibt der Fußabdruck eines Landes, das seine ökonomische Zukunft seiner fleißigen und redlichen Menschen verspielen will: nicht durch Schicksal oder äußeren Zwang, sondern durch eine Kombination aus Populismus, Unvermögen und Verantwortungsvakuum. Man kann es kaum anders sagen: Jeder Gemüsehändler in Bregenz, Bludenz, Bezau geht sorgsamer mit seinem Kassenbuch um als diese Regierung mit den Staatsfinanzen. Budgetieren wie im Bierzelt.

Aber was weiß ich schon. Ich bin ja kein Finanzminister. Nur jemand, der zählen kann.

Christian Rainer ist Journalist und Medienmanager. Er war 25 Jahre lang Chefredakteur und Herausgeber des Nachrichtenmagazins profil.