Schuldenmisere der ÖGK: Ist die Kassenfusion schuld?

Mehr Leistungen, weniger Kosten – das versprach die große Kassenreform. Jetzt schreibt die ÖGK schreibt rote Zahlen. Wie es dazu kam.
Schwarzach Dass eine Fusion kostet, ist nicht neu, heißt es seitens der ÖGK. Bei der Kassenzusammenlegung war einst trotzdem nur von Einsparungen im Sinne der Versicherten die Rede. ÖVP und FPÖ priesen die Patientenmilliarde an. Die Personalkosten sollten um 30 Prozent sinken. Gekommen ist alles anders. Nicht nur der Rechnungshof hat dies vorhergesagt.
Mittlerweile steckt die ÖGK in einem tiefen Minus. Allerdings wäre es falsch, die Zentralisierung der Gebietskrankenkasse als Grund allen Übels zu identifizieren, erklärt der Gesundheitsökonom vom Institut für Höhere Studien, Thomas Czypionka. Die aktuelle Lage begründet sich auch mit Rezession, Demografie und Zunahme ambulanter Leistungen. Ebenso werden die Folgen der Pandemie häufig ins Treffen geführt.
Nicht alles angefasst
Rückblick: Im Dezember 2018 beschloss der Gesetzgeber mit schwarz-blauer Mehrheit, die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf zu reduzieren. Die neun Gebietskrankenkassen wurden zur ÖGK. Öffentlich Bedienstete und Eisenbahner wurden in der BVAEB zusammengefasst, Selbstständige und Bauern in der SVS. Die Allgemeine Unfallversicherung und Pensionsversicherungsanstalt blieben bestehen. Nicht angefasst wurden etwa die Krankenfürsorgeanstalten, die es in manchen Ländern noch für öffentlich Bedienstete gibt.

Die Kassenreform sollte binnen weniger Jahre eine Milliarde Euro bringen. Die schwarz-blaue Regierung rechnete damals vor, dass 2021 200 Millionen, 2022 300 Millionen und 2023 500 Millionen Euro eingespart werden könnten. Der Rechnungshof vermisste aber Nachweise zu diesen Berechnungen. Gleichzeitig würden mögliche Kosten der Reform verschwiegen. Tatsächlich: In den Dokumenten zum Gesetzesentwurf war nie von Kosten die Rede. Wenige Jahre später sprach selbst die damalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein von einem „Marketing-Wording“, das nicht in Geld, sondern in Mehrleistungen bei den Patienten angekommen sei.
Leistungen angepasst
Fakt ist: Die Leistungen der einstigen Gebietskrankenkassen wurden aneinander angeglichen. Das bestätigt auch IHS-Experte Czypionka. „Die Leistungen sind jetzt gleicher als vorher.“ In der ÖGK wird auf VN-Anfrage betont: „Die Kassenfusion war der größte Risikostrukturausgleich in der Geschichte. Auf diese Weise konnten in einigen Bundesländern Leistungen angeboten werden, die sich davor die Bundesländerkassen nicht hätten leisten können. Somit ist der Nutzen für die Versicherten auf jeden Fall gegeben. Dass eine Fusion anfangs kostet, bevor die Synergien effektiv genutzt werden können, ist nicht neu.“

2022 stellte der Rechnungshof fest, dass die Kassenreform bislang nur Mehrkosten verursacht hatte. Im November des vergangenen Jahres erklärte einer der beiden ÖGK-Obmänner, Arbeitnehmervertreter Andreas Huss, dass die Fusion den Beitragszahlern bis 2028 1,7 Milliarden Euro entziehen würde.
Macht für die Arbeitgeber
Einer, der die Reform stets kritisch gesehen hat, ist der einstige Arbeiterkammerdirektor Rainer Keckeis. Die Fusion sei mit schuld an der nunmehrigen Misere. „Es stimmt, dass es zum Teil eine Leistungsverbesserung gab, aber die hätte man davor auch schon machen können und das hat nichts mit der Reform zu tun.“ Es sei lediglich um politischen Einfluss gegangen und darum, die Arbeitgeber in der Arbeitnehmerversicherung zu stärken. Tatsächlich haben Arbeitgebervertreter, die bei der SVS versichert sind, seit der Kassenfusion mehr Einfluss in der ÖGK. Zuvor waren die Arbeitnehmer in den entscheidenden Gremien deutlich in der Überzahl. In der Beamtenkasse gab es hingegen keine vergleichbaren Eingriffe. Der frühere AK-Direktor Rainer Keckeis kritisiert auch, dass Spitzenkräfte in den Bundesländern aufgrund der Fusion verloren gingen. Schließlich wanderten nun zahlreiche Posten in die Zentrale.

IHS-Experte Czypionka glaubt, dass die Zusammenlegung der Kassen weder gut noch schlecht gewesen sei. Die Politik habe aber wohl bei den Einsparungen ein wenig übertrieben. Und: Bestand einst das Problem, dass alle ihr eigenes Süppchen kochen wollten, müsse nun darauf geachtet werden, dass Subsidiarität gelebt werde. Aber: „Die Kassenfusion ist nicht an allem schuld.“