Millionen für fast nichts

Wiener Stadtrat: Oppositionsvertreter ohne Aufgabe, aber mit fürstlicher Entlohnung.
Wien, SCHWARZACH „Ihr Hauptzweck ist, dass sie nichts tun.“ So hat der Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik die Aufgabe der nicht amtsführenden Stadträte in Wien im Online-Medium „WZ“ einmal zusammengefasst. Umso bemerkenswerter ist ihre Entlohnung: Wie die Stadt auf Anfrage der VN mitteilt, erhalten sie 11.328,40 Euro brutto pro Monat. Das ist rund dreieinhalb Mal mehr als ein durchschnittlicher Arbeiter verdient. Ihren Klubs werden außerdem Vergütungen gewährt, die dem Bezug von jeweils zwei Dienstposten unterschiedlicher Gruppen und Kategorien entsprechen. Um es kurz zu machen: Insgesamt gibt es derzeit fünf nicht amtsführende Stadträte in der Bundeshauptstadt, und mit diesen Vergütungen kommen insgesamt 1,3 Millionen Euro pro Jahr an Kosten für die Steuerzahler zusammen.

Wie ist das alles möglich? Es ist eine Ausformung des Proporzsystems, das es auf Länderebene nur noch in Oberösterreich, Niederösterreich und Wien gibt, wobei Wien insofern ein Sonderfall ist, als das Land auch Stadt bzw. Gemeinde ist. Für sie schreibt die Bundesverfassung vor, dass alle im Gemeinderat vertretenen Parteien nach Maßgabe ihrer Stärke im Gemeindevorstand vertreten sind. In diesem Fall also im Stadtrat.
Wo das Proporzsystem herrscht, werden Oppositionsvertretern weniger wichtige Zuständigkeiten zugeordnet. Daneben kommt es vor, dass sie gar keine haben, wie der Verfassungsjurist Peter Bußjäger erinnert und das Beispiel Innsbruck nennt: Der schwarze und der blaue Vertreter sind dort Stadträte „ohne Amtsführung“.

Das Besondere bei den nicht amtsführenden Stadträten in Wien ist, dass sie, so Bußjäger, „ein hohes Einkommen erhalten, bei dem man sich fragen kann, wie weit es dem Einfluss entspricht“. Dazu wären selbstverständlich auch Aussagen aus dem Wiener Rathaus relevant: Alle Versuche, Stellungnahmen von Sozialdemokraten, Freiheitlichen, Grünen, Pinken und Schwarzen zu erhalten, führten jedoch zu nichts. Genauer: Zu fast nichts. Lediglich aus der SPÖ kam eine Antwort, aber halt mit dem Hinweis, dass es aufgrund der laufenden Sondierungsgespräche infolge der Gemeinderatswahl vom 27. April leider nicht möglich sei, die Fragen zeitgerecht zu beantworten.
In der bisherigen Regierung gibt es zwei grüne nicht amtsführende Stadträte, zwei schwarze und einen Freiheitlichen. Dabei handelt es sich um deren Landesparteichef Dominik Nepp, der im Wahlkampf mit dem Spruch „Fleißige belohnen statt Asylmillionen“ aufgetreten ist. Immerhin: Die fünf nehmen an Regierungssitzungen teil. Einfluss auf Entscheidungen haben sie jedoch nicht. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und die amtsführenden Stadträte von SPÖ und Neos stellen die Mehrheit.

Aus den Parteien ist in der Vergangenheit immer wieder Bereitschaft bekundet worden, nicht amtsführende Stadträte abzuschaffen. Der ehemalige Vizebürgermeister und nunmehrige Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) hat sie einmal als die „teuersten Arbeitslosen Wiens“ bezeichnet. Außerdem meinte er: „Diese Posten sind reine Versorgungsjobs für Parteibonzen.“ Nötig zur Abschaffung wäre eine Verfassungsänderung. Bemühungen, eine solche durchzusetzen, sind jedoch nicht wahrnehmbar.