Kommentar: Wladimir und wir. Eine Wette

Ich wette eine Flasche Krimsekt darauf, dass Wladimir Putin in wenigen Jahren wieder am roten Teppich des Westens steht. Nicht als Angeklagter in Den Haag, sondern als Gast mit Fahrzeugeskorte und Pressekonferenz. Warum ich das glaube? Weil Interessen länger halten als Empörung. Und weil in der Weltpolitik das Gedächtnis manchmal nur so lang ist wie ein Nachrichtenzyklus auf X – oder wie die Haare von Donald Trump, wenn sie wieder einmal zu wild vom Wind des Populismus zerzaust wurden.
Schon jetzt sehen wir Vorboten. Trump, der Mann, der wenig Unterschied sieht zwischen Selenskyj und Putin – schließlich machen ihm ja beide gelegentlich Komplimente. In Trumps Weltordnung zählt nicht Demokratie gegen Diktatur, sondern wer dem Sonnenkönig von Mar-a-Lago mehr schmeichelt. Und siehe da: Putin weiß, welche Knöpfe zu drücken sind. Dass Trump versprach, den Ukrainekrieg „am ersten Tag seiner Präsidentschaft“ zu beenden, ist weniger diplomatische Vision als geopolitisches Wunschkonzert eines Mannes, der glaubt, Außenpolitik sei ein Immobiliendeal.
Doch es wäre billig, nur auf Trump zu zeigen. Auch Xi Jinping und Narendra Modi behandeln Putin mit militärischem Salut und wirtschaftlichem Interesse. Da ist von Isolation keine Rede, vielmehr vom schnellen Zugriff auf geopolitische Positionen. Und wenn dann beim Eurovision Song Contest 70 ehemalige TeilnehmerInnen in einem zivilisatorischen Totalausfall einen Ausschluss von Israel fordern – vorne weg der österreichische Sieger JJ, der in seiner geschmacklosen Infantil-Rhetorik auch noch Israel mit Russland gleichsetzt (während der ORF JJ nach euphorischer Selbstbejubelung plötzlich als Privatmann bezeichnet) –, dann wird endgültig klar: Die moralische Unterscheidungsfähigkeit im Westen verdampft gerade zwischen Pop, Politik und pathosgetränkter Pose.
Was also bleibt? Realpolitik. Und ein Satz, der die zynische Eleganz der Gegenwart erschreckend gut einfängt: „In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn es doch passiert, war es so geplant.“ (Als Kuckucks-Zitat wird der Satz Franklin D. Roosevelt zugeschrieben.) Welcher Plan also? Nun, schauen wir nach Wien 2014! Nach der Annexion der Krim war Österreich eines der ersten EU-Länder, das wieder zum Business as usual mit Moskau überging. In erster Reihe die Wirtschafts-Lobbyisten mit ihren platten Interessen. Weniger von Interessen geleitet, sondern von Blödheit dann Außenministerin Karin Kneissl, die 2018 Walzer mit Putin tanzte – ein Sinnbild österreichischer Neutralität: wendig, vordergründig höflich, hintenherum gierig und dann doch vom Drehschwindel befallen.
Und heute? Strecken Industrie und Wirtschaft nicht schon wieder ihre Fühler aus? Wann wird man wieder an russisches Gas kommen, ohne Empörung zu provozieren? Und da wäre noch Sebastian Kurz, ein Weltversteher auf Abruf, aktuell empfänglich für arabisches Geld im Abtausch gegen Menschenrechte, gegenüber Trump und dessen „genauen Plänen“ beflissen. Was diese Pläne sein sollen – Frieden durch Händeschütteln? Geopolitik durch Golfturnier? – bleibt unklar.
Klar hingegen: Sobald Putin wieder salonfähig wird, wird Österreich nicht lange zögern. Neutralität war hierzulande immer auch ein Synonym für diplomatische Beliebigkeit. Putin bald als adäquater Staatsgast im Westen, in Wien? Ich setze nicht nur Krimsekt, ich setze auf die politische Vergesslichkeit einer saturierten Gesellschaft. Wer mit Autokraten handelt, muss deren Krieg nicht lieben – er muss ihn nur als eine Phase betrachten. Die nächste ist dann wieder Wirtschaft.