Defizitverfahren fix: EU schaut Österreich beim Sparen auf die Finger

Politik / 04.06.2025 • 15:06 Uhr
Defizitverfahren fix: EU schaut Österreich beim Sparen auf die Finger
Die Kommission hat nun offiziell das EU-Defizitverfahren für Österreich empfohlen. APA

In den kommenden vier Jahren muss das Land Budgetdisziplin beweisen. Es wird nicht einfach: Zuletzt schrumpfte Vorarlbergs Wachstum um 1,8 Prozent.

Wien, Brüssel Seit November schwebt es über Österreich, am Mittwoch hat es die EU-Kommission ausgesprochen. Sie leitet ein EU-Defizitverfahren ein. Österreich muss betreut sparen. Es ist ein Kratzer im Image des Landes, die Aufgabe ist aber bewältigbar.

Läuft das aktuelle Defizitverfahren gegen Österreich bereits?

Nein. Es gibt ein fixes Prozedere. Nach der Feststellung eines übermäßigen Defizits empfiehlt die Kommission ein Defizitverfahren. Danach muss der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister zustimmen. Dieser trifft sich das nächste Mal am 20. Juni in Luxemburg und am 8. Juli in Brüssel.

Was sind die nächsten Schritte?

Brüssel und Wien erstellen gemeinsam einen Plan zum Abbau der Schulden. Die Kommission zwingt Österreich zu keinen Maßnahmen, die österreichische Regierung entscheidet selbst. Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hat sein Sparpaket für die kommenden zwei Jahre bereits vorgelegt.

Wie betrifft das Defizitverfahren Vorarlberg?

Zum einen treffen die österreichweiten Sparmaßnahmen natürlich auch das Land: Gebührenerhöhungen, eingefrorene Familienleistungen, Kürzungen bei Klimaförderungen gehören dazu. Zum anderen ist Österreichs Wirtschaftsleistung im Vorjahr um 1,2 Prozent geschrumpft. In Vorarlberg betrug das Minus 1,8 Prozent. Nur in Oberösterreich und Kärnten gab es mit minus 2,7 und minus 2,4 Prozent einen größeren Rückgang. Unter diesen Vorzeichen werden viele Sparmaßnahmen noch schmerzvoller ausfallen. Marterbauer will im Rahmen des österreichischen Stabilitätspakts Länder und Gemeinden zu einem noch stärkeren Beitrag zum Abbau des Defizits verpflichten.

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Kommt ein Defizitverfahren häufig vor?

Außer Estland, Luxemburg und Schweden haben bereits alle EU-Mitgliedsstaaten ein Defizitverfahren durchlaufen müssen und gemeistert. Bislang wurden noch keine Geldstrafen verhängt. Aktuell laufen acht Defizitverfahren, unter anderem gegen Frankreich.

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Wie ist das erste Defizitverfahren gegen Österreich verlaufen?

Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 bis 2008 lag Österreichs Defizit bei 5,3 Prozent. Die damalige SPÖ-ÖVP-Regierung konnte das Defizit 2012 wieder unter die erlaubten drei Prozent des BIP bringen. Ein Verfahren dauert in der Regel vier Jahre. Unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn ein Land sich zu wachstumsfördernden Reformen und Investitionen verpflichtet, kann der Plan auf sieben Jahre ausgeweitet werden.

Wie hoch liegt Österreichs Verschuldung?

Grund für das Defizitverfahren ist, dass Österreich mit seinem Budgetdefizit von 4,7 Prozent des BIP im vergangenen Jahr und den geplanten 4,5 Prozent heuer klar über der erlaubten Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung der sogenannten Maastricht-Kriterien der EU liegt. 

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Wieso liegt die Grenze bei drei Prozent?

Die Maastricht-Kriterien sollen verhindern, dass sich ein EU-Land zu sehr verschuldet, und die Stabilität der gemeinsamen Währung sicherstellen, doch eine ökonomische Begründung, warum die Neuverschuldung nur drei Prozent betragen darf, gibt es nicht. Die Höhe soll 1981 mehr oder weniger willkürlich von einem jungen Mitarbeiter im französischen Finanzministerium, Guy Abeille, festgelegt worden sein, berichtet die FAZ. Der damalige Präsident François Mitterrand benötigte Argumente, um die Neuverschuldung in Zaum zu halten.