“Wir wollen nicht das Traiskirchen Vorarlbergs werden”

Politik / 05.06.2025 • 13:59 Uhr
"Wir wollen nicht das Traiskirchen Vorarlbergs werden"
Gemeinde und Landesregierung zanken sich um die Zukunft des Asylquartiers Gaisbühel. VN/Haller, VN/Paulitsch

Bludesch stellt sich gegen das Flüchtlingsheim in Gaisbühel. Zehn Jahre seien genug. Land möchte Heim beibehalten.

Bludesch Gaisbühel ist eines jener Symbole, die an die Flüchtlingskrise 2015 erinnern. Damals suchte die Landesregierung mit aller Kraft nach Asylquartieren – und fand eines in der ehemaligen Lungenheilstätte. Zehn Jahre ist es mittlerweile her. Die Standortgemeinde Bludesch ist überzeugt: Das ist genug. Das habe man dem Land mehrfach mitgeteilt. Die Landesregierung hat jedoch andere Pläne und nun mit einer Gesetzesänderung reagiert. Sie ermöglicht es zukünftig, ohne Zustimmung der Gemeinde Asylwerber in Gaisbühel unterzubringen – sehr zum Ärger des Bludescher Bürgermeisters Martin Konzet.

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Die Geschichte Gaisbühels ist lang. Der Ursprung des Krankenhauses findet sich in der Monarchie im Jahr 1915. Von 2008 bis 2015 stand es leer, seitdem sind Flüchtlinge untergebracht. Damit dies klappt, mussten Landesregierung und Gemeinden mussten immer wieder Gesetze erneuern: Am Höhepunkt der Flüchtlingskrise beschloss der Landtag im Eilverfahren im Baugesetz Ausnahmen für Flüchtlingsquartiere. Fabrikshallen, Container und andere Gebäude, in denen normalerweise keine Menschen wohnen dürfen, können als Flüchtlingsquartiere dienen. Diese Ausnahmen müssen immer wieder erneuert werden, heuer ist es wieder so weit. Der Gaisbühel-Teil auf Bludescher Gemeindegebiet ist zudem als Freifläche Landwirtschaft gewidmet, mit Sonderwidmung für Krankenhäuser. Also musste auch Bludesch immer wieder Ausnahmen erteilen.

Asyl in Vorarlberg

2587 Personen befinden sich in der Grundversorgung in Vorarlberg

820 davon sind Asylwerber (650 von der Cartitas betreut, der Rest privat). Die anderen Personen sind subsidiär Schutzberechtigte oder andere Fremde, etwa 1362 Ukrainer

4 Großquartiere gibt es (100 und mehr Plätze): Nenzing (95 Betten, aktuell 55 Personen, nur für Ukrainer); Gaschurn (120 Betten, aktuell 90 Personen, nur für Ukrainer); Schulbrüderheim Feldkirch (Kapazität bis zu 190, aktuell 128 Personen); Gaisbühel in Bludesch und Schlins (110 Betten, aktuell 70 Personen)

Quelle: Land Vorarlberg

Bürgermeister Konzet erläutert: “Wir haben das immer getan, aber mit dem Hinweis und der Bitte ans Land, eine andere Nutzung zu finden.” Und tatsächlich schien der Wunsch der Bludescher Gehör zu finden, wie eine E-Mail von Landesrat Christian Gantner (ÖVP) an die Gemeinden zeigt. Das Mail liegt den VN vor. Darin heißt es, dass er nach der Landtagswahl und den Gemeindewahlen, spätestens bis 1. Juli 2025, das Gespräch mit der Gemeinde suchen möchte. Und weiter: “Sollte die Gemeinde Bludesch sich gegen die Unterbringung vom Flüchtling im Bludescher Teil von Gaisbühel aussprechen, so werden wir gegen den Willen der Gemeinde keine Flüchtlinge mehr in diesem Bereich unterbringen.” Gantner schreibt aber auch: “Ich bitte um Verständnis, dass ich hier nur für meine Person sprechen kann. Sollte ein anderes Regierungsmitglied für diesen Bereich zuständig sein, ist mit diesem rechtzeitig das Einvernehmen herzustellen.” So ist es tatsächlich gekommen. Seit der Landtagswahl ist Daniel Allgäuer (FPÖ) für die Asylagenden zuständig. Und er geht jetzt einen anderen Weg. An Zusagen seines Vorgängers ist er freilich nicht gebunden.

Als der Gemeinde klar wurde, dass gegen den Willen der Gemeinde gehandelt wird, beschloss sie, keine Ausnahmegenehmigung mehr auszustellen. Gleichzeitig wurden die beiden zuständigen Berzikshauptmannschaften Feldkirch und Bludenz beauftragt, zu prüfen, ob die Nutzung mit der fehlenden Widmung überhaupt legal ist. Die Landesregierung hat jetzt reagiert. Am Mittwoch hat der Landtag die Änderung des Baugesetzes erstmals behandelt. Darin werden nicht nur die Ausnahmeregeln verlängert, ein Halbsatz ermöglicht diese Ausnahmen zudem auf widmungsfremden Grundstücken. Die Genehmigung der Gemeinde ist nicht mehr nötig.

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Landesrat Allgäuer hält im VN-Gespräch fest: “Gaisbühel bleibt. Wir brauchen die Unterkunft.” Die Regierung habe sich das gut überlegt. “Wir sind nicht zu einer Einigung gekommen. Ich habe die Gemeinde frühzeitig darüber informiert.” Konzet ärgert sich: “Dieses Gesetz ist reine Anlassgesetzgebung.” Allgäuer widerspricht: “Das ist keine ‘Lex Gaisbühel’.”

326 organisierte Unterkünfte gibt es derzeit, die von der Caritas betreut werden, dazu kommen zwei Quartiere der Firma ORS. Vier davon gelten als Großquartiere und verfügen über eine Kapazität für rund 100 Personen: Nenzing, Gaschurn (beide für Ukrainische Vertrieben), Schulbrüderheim und Gaisbühel. In Gaisbühel wohnen derzeit 70 Personen, 110 hätten Platz. Für Konzet steht fest: “Wir haben keine Lust, das Traiskirchen Vorarlbergs zu werden und eine dauerhafte Unterkunft bis zum St. Nimmerleinstag zur Verfügung zu stellen.” Schließlich wirke sich die Unterkunft etwa auf das Schulwesen und den Wohnungsmarkt aus. Konzet nimmt andere Gemeinden in die Pflicht. “Wir leisten für unsere Einwohnergröße überproportional viel und würden uns wünschen, dass das Solidarprinzip greift und jetzt andere Gemeinden Verantwortung übernehmen.”

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