Kommentar: Der Falke

Darf man Israel kritisieren? Bald nachdem das Land begonnen hat, auf den barbarischen Überall der Hamas, einer Terrororganisation, vom 7. Oktober 2023 zu antworten, ist diese Frage aufgekommen und wird seither immer wieder gestellt. Durch die nunmehrige Eskalation wird sich das wohl kaum ändern, im Gegenteil.
Um es kurz zu machen: Selbstverständlich darf man Israel kritisieren, man sollte dabei jedoch präzise sein und den Kontext nicht vergessen. Das Land ist mit Gegnern konfrontiert, die nichts anderes als seine Vernichtung wollen. Das ist das erklärte Ziel der Hamas. Und auch der Iran stellt sein Existenzrecht seit der Islamischen Revolution vor bald 50 Jahren nicht nur in Frage: Die Zerstörung Israels ist Staatsdoktrin. Sprich: Das ist zuallererst zu verurteilen.
Wie auch die Tatsache, dass Angehörige der Hamas am 7. Oktober in israelischen Siedlungen Zivilisten ermordet oder sie als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt haben. Das hat Isarel das Recht gegeben zu reagieren.
Diese Reaktion dauert bis heute an und nimmt auch Opfer unter Zivilisten in Kauf. Wobei die Rechtfertigung, dass die Hamas Frauen, Männer und Kinder als Schutzschild verwendet, nichts daran ändert, dass hier eine humanitäre Katastrophe läuft, die auch Israel belastet.
Israel ist aber nicht Israel: Kritik ist in erster Linie an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu richten. Das ist ein Hardliner oder besser gesagt Falke: So werden Politiker bezeichnet, die militärische Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele bevorzugen; für die Eskalationen daher wie selbstverständlich dazugehören.
So wie jetzt im Rahmen des Angriffs auf den Iran: Der selbsternannte Gottesstaat ist dem Bau einer Atombombe nahe. Das kann das Vorgehen, das Netanjahu zu verantworten hat, aber nicht legitimieren: Bemühungen um eine Verhandlungslösung zwischen den USA und dem Iran liefen noch. Die Erfolgsaussichten waren verschwindend klein, aber nicht gleich null.
Zweitens: Es erscheint unmöglich, das Atomprogramm des Iran militärisch zu stoppen. Entsprechende Versuche sind da längst berücksichtigt, Anlangen schier unerreichbar tief unter der Erde errichtet worden.
Drittens: Wie Israel nicht Israel ist, ist der Iran nicht einfach nur der Iran. Protestbewegungen gegen das Mullah-Regime zeugen regelmäßig davon. Ein Außenfeind, der das Land angreift, darf sich jedoch nicht wundern, wenn das Land und seine Menschen zusammenrücken und zur Rache schreiten.
Das Ergebnis ist eine Eskalation, an der Netanjahu maßgeblich beteiligt ist. Spekulationen darüber, dass er daran interessiert ist, um sich innenpolitisch halten zu können, sind müßig. Der Punkt für Drittstaaten wie Österreich ist, dass sie mehr denn je gefordert sind, auf ihn, aber auch das Mullah-Regime einzuwirken: Es mag ein Stadium erreicht sein, in dem sich jede Seite immer im Recht sieht, auf Raketen mit Raketen zu antworten, Krieg ist aber gerade hier kein Mittel zur Lösung, sondern ein Weg zu viel Schlimmerem.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.