Kommentar: Schule von heute
Die 59-jährige Lehrerin, die sich beim Amoklauf am Grazer BORG Dreierschützengasse dem Täter in den Weg und vor Schüler gestellt haben soll, ehe sie von diesem hingerichtet worden ist, steht für so vieles: Für selbstloses Verhalten etwa; und dafür, dass Pädagogen weit mehr sind als Lehrpersonen, die Dienst nach Vorschrift leisten.
Das geht unter. Die Regierung ist gezwungen, auf das schreckliche Ereignis zu reagieren und tut auch einiges. Manches mag nicht ernst gemeint sein. Vorgesehen ist zum Beispiel, das Mindestalter für den Erwerb von besonders gefährlichen Schusswaffen von 21 auf 25 Jahre zu erhöhen. Gewehre sollen jedoch weiterhin ab 18 gekauft werden können. Selbst mit psychologischem Gutachten ist das fragwürdig: Angebracht wäre ein klares Statement gegen Waffen, keine österreichische Lösung.
Andere Pläne sind gut und wichtig: Sicherheitskonzepte für Schulen etwa oder ganz besonders der Ausbau schulpsychologischer Angebote. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, die zum Beispiel unter Schlaf- oder Essstörungen leiden, ist stark wachsend.
Schulen sind daher umfassend gefordert. Da hat sich unglaublich viel getan. Wie Kindergärten, die einst Kinderbewahrungsanstalten hießen, waren sie nach allgemeinem Verständnis lange nicht dazu da, sich groß Einzelnen zu widmen. Es gab eine unausgesprochene Aufgabenteilung: Erziehung war Sache der Eltern, schlichte Betreuung Sache der Kindergärten sowie Unterricht bzw. Wissensvermittlung Sache der Schulen. Kinder und Jugendliche hatten dort zu funktionieren. Punkt.
Heute müssen sich Schulen und damit meist Lehrer zunehmend oft um alles kümmern. Sie sind mit Kindern und Jugendlichen konfrontiert, die zu Hause zu vieles nicht vermittelt bekommen, die zu früh sich selbst überlassen sind und damit in der Welt des 21. Jahrhunderts nicht zurechtkommen können.
Die Schule von heute braucht daher mehr denn je umfassend engagierte Pädagogen, Sozialarbeiter und Psychologen. Zu versuchen, durch PISA- und andere Tests zu erfassen, was sie leistet, ist lächerlich. Auch Noten sind unzureichend. Diese Schule ist vor allem auch gefordert, sich Persönlichkeiten mit allen ihren Seiten anzunehmen, und erzielt dabei oft schon dann unbezahlbare Erfolge, wenn sie es schafft, ein Kind, das zunächst bei jeder Aufgabe überfordert ist, zu befähigen, lesen, schreiben und rechnen zu lernen.
Dem gehört entsprochen: Es mag nicht allen gefallen, um was sich Schulen so kümmern. Auch um Dinge, die gemeinhin als privat gelten. Was ist jedoch die Alternative? Appelle an Eltern sind notwendig, können aber bei weitem nicht immer zum gewünschten Ergebnis führen. Es ist daher überfällig, auf diese Entwicklungen zu reagieren, Schulen als ganzheitliche Orte zu begreifen und für die nötige personelle wie finanzielle Ausstattung zu sorgen, die sie brauchen, um den Herausforderungen gerecht werden zu können. Es geht um den Nachwuchs, es ist eine Investition in die Zukunft.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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