Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Kommentar: Arbeiten bis 70

Politik / 28.06.2025 • 07:15 Uhr

Es gibt Debatten, bei denen nichts weitergeht. Jene zu Sicherheit und Verteidigung im Allgemeinen bzw. Neutralität im Besonderen, ist so ein Beispiel. Klar ist, dass sich etwas ändern muss. Die Positionen sind aber festgefahren, sodass alles beim Alten bleibt und man nur hoffen kann, dass nichts passiert.

Bei der Pensionsdebatte, bei der es in der Sache um etwas anderes geht, ist es ähnlich. Wirtschaftsliberale wie IV-Präsident Georg Knill machen sich regelmäßig unbeliebt, indem sie sagen, dass Herr und Frau Österreicher länger arbeiten müssten. „Wir können gerne Richtung 70 gehen“, hat er jüngst gemeint. Die Reaktionen darauf waren überwiegend negativ, um es vorsichtig zu formulieren.

Der Punkt ist jedoch, dass – im Unterschied zu Sicherheit und Verteidigung – bei der Altersversorgung nicht nur möglicherweise, sondern definitiv etwas passieren wird: Belässt man die Systeme, wie sie sind, werden die Kosten weiter stark steigen. Das würde bedeuten, dass man mit den Steuern und Abgaben, die gemessen an der Wirtschaftsleistung ohnehin schon so hoch sind wie noch nie, weiter raufgehen müsste.

Betreffen würde das nachfolgende Generationen, die ohnehin schon mit einer Welt voller Herausforderungen konfrontiert sein werden, die also etwa auch mit Folgen der Klimakatastrophe zurechtkommen müssen.

Da liegt es nahe zu handeln und die Zunahme der Kosten zu bremsen. Aber wie? Vielleicht sollte man sich mehr der Frage zuwenden, warum die Debatte so festgefahren ist. These: Es hat damit zu tun, dass zu viele Arbeitnehmer über 50, 55 keine Freude mehr an ihrem Job haben, ausgebrannt sind und/oder das Gefühl haben, von Arbeitgebern, die unter anderem Knill vertritt, nicht mehr gewollt zu werden.

Zweitens: Es hat außerdem damit zu tun, dass Illusionen gefördert werden. Es ist gut gemeint, dass niemandem ständig vorgehalten hat, wie viel seiner Pension er selbst finanziert bzw. wie viel voraussichtlich zugeschossen werden muss, wenn er die durchschnittliche Lebenserwartung erreicht. Eine Kehrseite davon ist jedoch, dass kaum jemand zum Schluss kommt: „Oje, da sollte ich jetzt aber wirklich nicht früher als nötig in Pension gehen.“

Drittens: Ein Problem sind außerdem diverse Unverschämtheiten. So lange es Politiker wie Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) gibt, der sich um fast 6000 Euro Steuergeld von einer Agentur auf eine Fernsehsendung vorbereiten ließ, wird das Verständnis für den Ernst der budgetären Lage bzw. die großen Reformnotwendigkeiten überschaubar bleiben.

Viertens: Nicht zu vergessen sind Ungleichheiten in der Bevölkerung, die bei der Losung „Arbeiten bis 70“ vollkommen ignoriert werden. Ein Maurer, der mit 15 eine Lehre begonnen hat, ist mit 60 eher schon körperlich „fertig“. Ein Akademiker, der erst mit 25 ganz ins Berufsleben eingestiegen ist, ist mit 60 eher noch „voll fit“: Da wäre es an der Zeit, ein System zu entwickeln, das weniger auf ein Regelpensionsalter für alle und mehr auf die Möglichkeiten des Einzelnen und die von ihm geleisteten Beitragsjahre fokussiert ist.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.