Kommentar: Vertrauen
Es gibt noch gute Nachrichten: Die Menschen in Österreich vertrauen ihrer Justiz in einem so hohen Ausmaß wie in kaum einem anderen Land Europas. Nur die Finnen hegen größeres Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ihrer Gerichte.
Dies ist zumindest das erfreuliche Ergebnis des vor wenigen Tagen veröffentlichten „Justizbarometers“ der Europäischen Union. Weit über 80 Prozent der Bevölkerung bewerten demnach die Unabhängigkeit der Justiz als „gut“ oder „ziemlich gut“. Der Anteil der Menschen, die demgegenüber politische Einflussnahmen kritisieren, bewegt sich deutlich unter 10 Prozent.
Am anderen Ende der Skala, in Polen, sind gerade einmal 30 Prozent der Befragten der Meinung, dass ihre Justiz unabhängig ist. Dort bemüht sich die neue „europafreundliche“ Regierung gerade, zahlreiche Richter, die während der vorangegangenen, „europakritischen“ Ära ernannt wurden, aus ihren Funktionen zu entfernen. So etwas kann nicht gut gehen. Dementsprechend erachten etwa zwei Drittel der Bevölkerung politische Einflussnahmen auf die Justiz als Problem. Nicht viel besser ist die Situation in Kroatien, der Slowakei und in Bulgarien.
Dem Justizbarometer zufolge arbeiten die Gerichte in Österreich im europäischen Vergleich überaus schnell und mit guter Qualität. Lediglich die Verwaltungsgerichte schneiden im Bereich der Verfahrensdauer nur mittelmäßig ab, aber hier spielt wohl die Dichte der bürokratischen Vorschriften eine Rolle. Auffallend ist, dass in Österreich pro Einwohner besonders viele Prozesse in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten und vor den Verwaltungsgerichten geführt werden. Letzteres hat gewiss damit zu tun, dass Österreich ein ausgeprägter Verwaltungsstaat ist. Insgesamt aber wird die Justiz wohl deshalb häufig in Anspruch genommen, weil sie hier eben noch funktionsfähig ist.
Unsere Politik sollte sich bewusst sein, dass das öffentliche Vertrauen ein fragiles Gut ist. Die unsägliche „Transparenzliste“ im Regierungsprogramm, die öffentlich macht, welche führenden Funktionen in welchen Gerichten und anderen „unabhängigen“ Behörden welcher Partei „zustehen“, schafft gerade kein Vertrauen, sondern Misstrauen.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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