Kommentar: Zirkuspferde und Reitbuben. Unsere Politiker

Sommer ist die Zeit, in der wir zwischen Badesee und Aperol über große Fragen nachdenken dürfen. Zum Beispiel: Wie gut sind unsere Politiker eigentlich? Wer sich in diesen Wochen an den Bühnen der Republik herumtreibt, hat Gelegenheit, die Spreu vom Weizen zu trennen. Oder, nüchterner gesagt: die alten Zirkuspferde von den neuen Reitbuben.
Da sitzt gestern Freitag also Joschka Fischer beim Salzburg Summit, Ex-Grünen-Chef in Deutschland, Ex-Außenminister, seit zwanzig Jahren im politischen Ruhestand. Und was macht er? Abgesehen davon, dass er Österreich auffordert, die Neutralität zu überdenken: Er brilliert. Natürlich, was denn sonst. So wie Sigmar Gabriel, Ex-SPD-Chef, auch Ex-Außenminister in Deutschland, unlängst beim Europa-Forum Wachau. Auch brillant. Beide längst raus aus dem Tagesgeschäft, aber sobald sie in die Manege steigen, liefern sie ab. Das Zirkuspferd, einmal in der Arena, trabt nicht, es galoppiert. Was sie unterscheidet von manch aktuellem österreichischen Personal, das sich ebenfalls auf diese Bühnen verirrt.
Zum Beispiel zwei Staatssekretäre, die ich vergangene Woche hören durfte. Der eine, ÖVP-nah, musste beim Salzburg Summit ans Mikrofon. Ergebnis: englische Sätze, die er nervös vom Blatt ablas, als sei er in der fünften Schulstufe sitzen geblieben. Sonst auffällig durch kindische Social-Media-Auftritte, die offenbar mehr Klicks als Inhalte erzeugen sollen. Der andere, SPÖ-nah, hatte seinen Auftritt bei den Ö1-Sommergesprächen. Ein Mann, der immerhin für Geheimdienste in diesem Land zuständig ist und es nach Selbstauskunft offenbar nicht schafft, seine ID Austria-App zu bedienen. Man möchte sich fürchten.
Und dann unser Kanzler. Wir sind mittlerweile schon dankbar, dass er nicht auffällt. Unauffälligkeit als Tugend, in Zeiten wie diesen! Gnade uns Gott. Der Vizekanzler? Über den habe ich hier vergangene Woche anlässlich seiner Rede bei den Bregenzer Festspielen geschrieben und – ausnahmsweise – Verständnis gezeigt: für seine klassenkämpferisch gefärbte Rede. Interessanterweise hielten die weitaus meisten (der extrem vielen, danke) Zuschriften, Ihre Zuschriften, diese Rede für angemessen. Im Publikum war das ja ganz anders.
Sind Politiker heute wirklich schlechter als früher? War nicht schon Viktor Klima, Kanzler bis Anfang 2000, ein Wendepunkt? Und waren Josef Pröll, Molterer, Mitterlehner, Faymann so viel brillanter als das, was wir heute erleben? Von den längst vergessenen Ministern und Ministerinnen ganz zu schweigen. Ich wage es zu bezweifeln. Vielleicht verklären wir die Vergangenheit, vielleicht war sie nur anders mittelmäßig.
Und dann das ewige Gejammer: Niemand will mehr in die Politik, weil das Gehalt zu niedrig sei, die Arbeitsbedingungen teuflisch, die Jobaussichten danach tote Hose. Meine Damen und Herren, nach gut drei Jahrzehnten Chefredaktionserfahrung sage ich Ihnen: Die Eitelkeit ist ein Hund. Es gibt genug Menschen – in der Wirtschaft, in Verbänden, wo auch immer –, die nur darauf warten würden, auf dieser Bühne zu stehen. Aber bis auf ewige Ausnahmeerscheinungen wie Andreas Treichl, Andreas Brandstetter und Sabine Herlitschka, die sich stets verweigerten? Könnten wir wirklich Namen nennen? Könnten Sie? Begabung ist selten, aber der Wille zur Macht, der Drang nach Sichtbarkeit – der ist unerschöpflich.
Vielleicht ist das die eigentliche Wahrheit über unsere Politiker: Sie sind nicht besser und nicht schlechter als früher. Aber sie sind verdammt sichtbar. Und vielleicht, nur vielleicht, ist das das Problem.