Jeder dritte Sozialhilfeempfänger ist minderjährig

Fast 2000 Kinder und Jugendliche benötigen Hilfe, um ihr Leben finanzieren zu können.
Bregenz Die Zahl der Sozialhilfebezieherinnen und Bezieher blieb konstant – die Zahl der Sanktionen ist hingegen gestiegen. Das zeigt die Halbjahresbilanz der Sozialhilfe in Vorarlberg, die den VN vorliegt. Darin ist auch zu sehen: Mehr als jeder dritte Bezieher ist minderjährig. Die Ausgaben sind leicht gestiegen.
Im Jahr 2024 benötigten jeden Monat mehr als 2100 Haushalte eine Leistung aus der Sozialhilfe. Heuer lag die Zahl in der ersten Jahreshälfte in drei von sechs Monaten unter 2100, im Durchschnitt bei 2.106. Im Jahresschnitt 2024 benötigten 2152 Haushalte Sozialhilfe. Die Zahl der Personen hat sich hingegen kaum verändert. Rund 5500 Personen haben heuer im Schnitt 410 Euro Hilfe erhalten, pro Haushalt werden im Schnitt rund 1000 Euro ausbezahlt. Das bedeutet in der ersten Jahreshälfte Gesamtausgaben von 13.184.661 Euro. Im Vorjahr waren es 12.865.483 Euro. Hauptgrund für die leichte Steigerung: Die Richtsätze sind um 4,6 Prozent gestiegen. Insgesamt kostete die Sozialhilfe im Vorjahr fast 26 Millionen Euro.
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Die Bundesregierung sieht Reformbedarf. Bundeskanzler Christian Stocker erklärte kürzlich, dass es einheitliche Tarife pro Bundesland geben wird. “Dass unterschiedlich hohe Sozialhilfesätze Motivation für eine Ansiedlung in einem bestimmten Bundesland sind, ist nicht zielführend”, sagte er im VN-Interview. Die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten müsse man sich aber anschauen. Herzstück der geplanten Reform ist die Verschiebung zum AMS. Für alle, die grundsätzlich erwerbsfähig sind, soll das Arbeitsmarktservice zuständig sein. Es soll die Sozialhilfe auszahlen und sperren können sowie die Empfänger in Jobs und Schulungen vermitteln. Soziallandesrätin Martina Rüscher stellte in den VN die Frage, wie dies in der Praxis aussehen könnte. Sie sei zwar grundsätzlich für den Vorschlag, fügte aber an: “Beim AMS fehlt derzeit die personelle Struktur, um das auch übernehmen zu können. Im Gegensatz zu den Bezirksverwaltungsbehörden.” Zudem betrachtet die Verwaltung die Sozialhilfe pro Haushalt. Wenn die erwerbsfähigen Bezieher ohne Betreuungspflichten zukünftig vom AMS verwaltet werden, würde der Fokus wieder auf Einzelpersonen liegen – was es komplizierter macht. Das sieht man auch an den aktuellen Zahlen: Von den rund 5300 Personen in den 2100 Haushalten, die heuer eine Leistung der Sozialhilfe benötigten, sind 1800 (also mehr als ein Drittel) minderjährig. 3500 sind 18 Jahre und älter.
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Das Reformvorhaben dürfte sich also noch ziehen. Der Landesregierung sind bisher noch keine Details dazu bekannt, wie eine Sprecherin der Soziallandesrätin auf VN-Anfrage mitteilt. Da es sich um eine grundlegende System- und Kompetenzverschiebung handle, sei ein enger Abstimmungsprozess mit den Ländern wichtig.
Die Hälfte der Bezieherinnen und Bezieher erhält keine volle Sozialhilfe. Ihr Einkommen wird um jenen Betrag aufgestockt, der benötigt wird, um die Grundbedürfnisse des Lebens abzudecken. Davon wiederum muss bei 20 Prozent die Arbeitslosen- oder Notstandshilfe aufgestockt werden, weiteren 17 Prozent reicht das Erwerbseinkommen nicht zum Leben, sie werden als “working poor” bezeichnet. Acht Prozent der Aufstocker erhalten zu wenig Pension.
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Bei mehr als 5000 Bezieherinnen und Beziehern musste die Landesverwaltung im ersten Halbjahr 285 Ermahnungen aussprechen. Zudem ist die Sozialhilfe in 380 Fällen gekürzt worden. “Im Wesentlichen geschah dies aufgrund fehlender oder mangelnder Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft oder zu aktiven arbeitsmarktbezogenen Leistungen sowie aufgrund schuldhafter Pflichtverletzungen des Integrationsgesetzes, wie etwa fehlender oder mangelnder Bereitschaft zur Absolvierung von Sprach- und Deutschkursen”, erklärt Rüschers Sprecherin. Im ersten Halbjahr des Vorjahres gab es 327 Kürzungen, im Gesamtjahr 687.
41 Prozent der Empfängerinnen und Empfänger sind österreichische Staatsbürger, 23 Prozent kommen aus Syrien und sieben Prozent aus Russland, vier Prozent aus der Türkei und Afghanistan.