Kommentar: Leider, leider!

Ein Gastkommentar von Simon Tschannett.
Der zuletzt durchgesickerte Klimagesetz-Entwurf ist – leider, leider – weit entfernt vom vielversprechenden Regierungsprogramm, das ich an dieser Stelle Anfang März so gelobt habe. Ich schrieb vom großen Klima-Wurf und vom Paradigmenwechsel, weil Kreislaufwirtschaft und Anpassung an den Klimawandel im Regierungsprogramm gleichberechtigt mit Klimaschutz vorgekommen sind. Während aber die Politik in Ihrem Entwurf fürs Klimagesetz nun zaudert, macht uns die Realität längst vor, wie schnell wir uns an veränderte Umweltbedingungen anpassen müssen: „Früher hat es nach einer langen Regenphase mehrere Tage gebraucht, bis sich das Wetter erholt hat und wieder richtig warm war“, erklärte Werner Maitz (Schwimmbad Götzis) im ORF Interview. Heute reicht ein halber Tag Sonne, und schon könne man das Schwimmbad wieder aufmachen. Das Wetter beschleunigt und wir müssen beweglicher werden – nur die Politik bleibt erstaunlich unbeweglich! Es dürfte nämlich längst nicht mehr um parteipolitisches Taktieren und ums Abtauschen gehen. Beim Klima ist die Zeit des Zögerns und der langatmigen Verhandlungen vorbei. Denn es geht um die Grundsätze, wie wir leben. Die Klimakrise verändert bereits die elementarsten Grundlagen unseres Alltags.
Die mediale Diskussion über das Klimagesetz fokussiert sich zurzeit hauptsächlich auf den Klimaschutz, also das Reduzieren und Stoppen unseres Treibhausgasausstoßes. Klimaforscher Daniel Huppmann vom IIASA betont dazu im ZIB2-Interview, dass das Festschreiben der Klimaneutralität 2040, konkrete Zwischenziele und Maßnahmen bei Nichterreichen der Zwischenziele nötig sind.
Gleichzeitig zeigt die Klimakrise, dass wir breiter denken müssen: Anpassung muss jetzt genauso in den Fokus rücken wie Klimaschutz – in Politik, Medien und bei der praktischen Umsetzung. Ein gut ausgestattetes Konjunkturpaket könnte genau hier ansetzen: Investitionen in klimafitte, hitzeangepasste Städte, in Beschattung, Begrünung und Bewässerung und in Hochwasserschutz würden die Resilienz stärken und gleichzeitig die Wirtschaft beleben. Die im Regierungsprogramm schon vorgesehenen Werkzeuge – Task Force, Expertenbeirat, Klimafahrplan – könnten sofort Wirkung entfalten. Und das nötige Budget könnte etwa aus dem Abbau von klimaschädlichen Subventionen kommen.
Wer jetzt zögert, verpasst nicht nur eine Chance für die Anpassung und den Klimaschutz, sondern auch für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität. Mit gezielter Umsetzung aller drei Säulen aus dem Regierungsprogramm für ein zukunftsfittes Klimagesetz ließe sich ein dreifacher Gewinn erzielen: Resilienz erhöhen, Wohlstand sichern, Lebensqualität erhalten. Das Klima wartet nicht.
Der Vorarlberger Simon Tschannett ist Meteorologe und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Stadtklimatologie.