Harald Walser

Kommentar

Harald Walser

Kommentar: Im Namen Gottes?

Politik / 18.09.2025 • 10:26 Uhr

Der ermordete ultrarechte Aktivist Charlie Kirk wird in den USA derzeit von den Trump-Fans fast wie ein Heiliger verehrt. Die Instrumentalisierung von Religion für seine haarsträubenden Thesen wird akzeptiert. In der Diskussion über Homosexualität zitierte Kirk schon mal „Gottes perfektes Gesetz“ und das Alte Testament, wo als Strafe die Steinigung vorgesehen ist. Die im Bürgerrechtsgesetz verankerte Gleichberechtigung von Schwarzen nannte er einen „Fehler“, den von Polizisten ermordeten George Floyd einen „Drecksack“.

Missbrauch der Religion für politische Ziele ist kein neues Phänomen. „Gott mit uns“ stand auf den Gürtelschnallen der Wehrmacht bei ihrem verbrecherischen Angriffskrieg und der Beihilfe zum Holocaust. „Gott will es“ lautete der Schlachtruf der christlichen Kreuzfahrer bei ihren Massakern an der muslimischen Bevölkerung. Auch die brutalen Eroberungsfeldzüge der muslimischen Machthaber bis vor die Tore Wiens wurden mit Berufung auf Gott gerechtfertigt. Und heute rechtfertigen fanatisierte Moslems ihre Gräueltaten mit dem angeblichen Willen Gottes.

Österreich spielt für die politische Instrumentalisierung von Religion eine zunehmend wichtige Rolle. Stichwortgeber der US-Rechten und vor allem für Vizepräsident J. D. Vance ist mit Edmund Waldstein ein Pater aus dem Stift Heiligenkreuz. Der US-Theologe H. David Bear schrieb über die einflussreiche Gruppe rund um Vance, sie strebe einen „klerikalen Faschismus“ an, „so wie man es in Österreich unter Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg tat“.

Ob es da ein Zufall ist, dass der Vorarlberger Cartellverband letztes Wochenende nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Mitbegründer Otto Ender feierte? War allen bewusst, dass der Landeshauptmann und Bundeskanzler Anfang der Dreißigerjahre Chef-Ideologe des Austrofaschismus wurde?

Folgerichtig konnte dieser dem Nationalsozialismus „positive Seiten“ abgewinnen: „Eine nationale Erhebung geht durch Deutschland und alles erkennt ihren Wert.“ Der Sozialwissenschaftler Kurt Greussing hat schon vor Jahren in der Zeitschrift „Montfort“ in gebotener Deutlichkeit auf dessen fatale Rolle hingewiesen.

Ender hatte weder für Demokratie noch Föderalismus etwas übrig: „Entweder haben wir eine autoritäre Regierung oder wir haben den Parlamentarismus und das Parteiensystem. Das will das Volk aber nicht. Also muss das Volk daraus die Konsequenz ziehen und dem autoritären Führer gehorchen, nichts gegen den Führer unternehmen, sondern mit ihm und für ihn für unser Volk und Vaterland arbeiten.“

Otto Ender war denn auch Hauptverantwortlicher für die austrofaschistische Verfassung vom 1. Mai 1934. Sie beginnt bezeichnenderweise mit der Berufung auf Gott: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen.“ Greussing wäre bei der Ender-Weihestunde des Cartellverbands wohl der ideale Referent gewesen, um eine Diskussion über den politischen Missbrauch von Religion zu führen.

Harald Walser ist Historiker, ­ehemaliger Abgeordneter zum ­Nationalrat (Die Grünen) und AHS-Direktor.