Kommentar: Parallelaktion am East River
Bundespräsident Van der Bellen, Kanzler Stocker, Außenministerin Meinl-Reisinger: alle in New York, Hochamt der UNO. Vom 21. bis 26. September, 80 Jahre Vereinte Nationen, Reden, Treffen, Fotos – und dazu das zarte Raunen, Österreich solle 2027/28 wieder in den Sicherheitsrat. „Sicherheit des Rechts, nicht das Recht des Stärkeren“, heißt es im Werbeprospekt. Klingt gut, ist aber Marketing ohne Handbuch.
Ja, die Staatsspitze soll dort sein. Aber Politik ohne Satz darunter bleibt Pose. Welche Fälle will Wien im Rat treiben? Ukraine? Syrien? Sahel? Non-Proliferation? Humanitäres Veto? Unsere letzte „Ernte“ fiel bescheiden aus: Wien als neutraler Verhandlungsort für die Iran-Gespräche. Schön. Aber dafür braucht es Gastgeberqualitäten, nicht einen rotierenden Sitz. Zuvor waren wir 1973/74, 1991/92 und 2009/10 im Rat – gelernt hat man offenbar vor allem, wie man die Bewerbungsbroschüren glättet.
Das Ganze ist eine frappant österreichische „Parallelaktion“, wie Robert Musil im „Mann ohne Eigenschaften“ sie schildert – als groß angelegtes Fest für Kaiser Franz Joseph, an dem alle tüchtig werkeln und niemand weiß, wozu. Genau so wirkt es heuer am East River. Die Kampagne läuft seit März, fast schon zwanghaft angetrieben von der Außenministerin. Die Losung steht, aber die Strategie bleibt uns die Regierung schuldig: Was ist Österreichs Mehrwert im Rat? Welche roten Linien, welche Verbündeten, welche Projekte über 24 Monate?
Und daheim die gleichen Reflexe. In TV-Runden fordert man, der Kanzler möge lieber das Budgetloch stopfen als in New York Hände schütteln. Mag sein. Doch Außenpolitik ist kein Luxus, sondern Versicherung. Nur: Eine Versicherung, deren Polizze man nicht erklärt, verkauft sich schlecht. Wenn man will, dass die Leute den Prämienzettel unterschreiben, muss man ihnen sagen, wofür. Und wer entscheidet in Wien? Kanzleramt, Ballhausplatz oder Hofburg – drei Flugtickets, eine Stimme?
Das schlimmere Missverständnis in Rot: Andreas Babler taucht auf eigene Faust in Manhattan auf, spricht von Restitution, schweigt lange patzig zu den Kosten, erklärt die Mission nicht. Wenn es wahr ist, dass eine Fünfer-Delegation nur 2800 Euro pro Kopf verbucht, wäre es erst recht schlecht kommuniziert. Wer öffentlich Transparenz predigt, darf nicht nebulös reisen. Und wer Oppositions-Schwung in Regierungsämter mitnimmt, muss erst recht präzise sein.
Zwischen all dem hängt Österreich in seiner Lieblingsschwebe: Neutralität als Klangteppich. Die Außenministerin – Neos, proeuropäisch, nicht zwingend neutralitätsfromm – duckt sich weg, die Koalition laviert. Gleichzeitig droht aus Moskau der PR-Vize Medwedew und erklärt uns, eine NATO-Debatte sei ein Frevel und werde „beantwortet“. So viel fürs Selbstbewusstsein eines EU-Staats.
Ich habe in Vorarlberg vor zehn Tagen „VN“-Leserinnen und Leser als mein Publikum erlebt, das beim Satz „Neutralität ohne Inhalt – denken wir an den NATO-Beitritt!“ nicht pfeift, sondern nickt und diskutiert. Das war überraschend. Vielleicht ist der Westen weiter als die Hauptstadt. Vielleicht ahnt man da, dass Sicherheit heute nicht aus hübschen Verweisen auf 1955 entsteht, sondern aus Bündnissen, Fähigkeiten, klaren Prioritäten.
Also: Erklärt uns, warum Sicherheitsrat! Sagt, was wir dort tun, mit wem, gegen wen, zu welchem Zweck! Dann tragen wir eure Reisekosten mit und eure Fotos auch. Ohne Plan bleibt das alles ein Staatsausflug mit Hashtag. Mit Plan könnte es Politik sein im besten Sinn: handelnde Republik statt selbstzufriedener Operettenstaat.
Kommentar