Bürger, nicht Querulanten

Rechte können von heute auf morgen eingeführt werden, bis sie gelebt werden, kann es jedoch dauern. Eine große Lehrerin an der HTL Rankweil hat einmal gesagt, es sei eine Frage von Generationen. Bei der Informationsfreiheit, die Anfang September eingeführt worden ist, wird es hoffentlich schneller gehen.
Nachdem jahrelang das Amtsgeheimnis geherrscht hat, müssen sich Bürgerinnen und Bürger aber erst daran gewöhnen, dass sie sich holen können, was ihnen zusteht: Angaben über die Verwendung „ihres“ Steuergeldes beispielsweise, ob in der Gemeinde, auf Landes- oder Bundesebene. Oder Untersuchungen, mit denen dort Entscheidungen begründet werden, die jedoch geheim bleiben.
In Zeiten wie diesen ist es sogar aus Sicht von Regierenden dumm, wenn sie weiterhin Intransparenz walten lassen.
Das braucht Zeit. Zumal das Problem tiefer sitzt: Das Verständnis vom Bürger als Untertan, der hinzunehmen hat, was läuft, ist noch eine vorsichtige Umschreibung für das, was Ex-Kanzler Karl Nehammer zum Ausdruck brachte, als er seine Befürchtung äußerte, wozu Informationsfreiheit führen könnte: Dazu, dass „Querulanten“ die Verwaltung lahmlegen.
Insofern Respekt all jenen, die schon eine Frage an ein Ministerium, ans Land oder gar an ihre Gemeinde, wo man sie kennt, gerichtet haben. In Vorarlberg dürften es alles in allem ein paar Dutzend gewesen sein, wie ein Rundruf erahnen lässt: Sie habe sich kein schlechtes Gewissen machen lassen, sondern gemacht, was in einem modernen, demokratischen Staat selbstverständlich möglich sein muss.
Der Nehammer-Zugang hat leider auch dazu geführt, dass es in Österreich keine „Informationsfreiheitsbeauftragten“ wie in Deutschland gibt. Diese ermuntern Bürger, neugierig zu sei. Sie teilen ihnen mit, an wen sie sich wie wenden müssen, wenn sie etwas wissen wollen. Sie beraten und unterstützen sie, wenn eine abschlägige Antwort daherkommt. Das ist unverzichtbar: Allzu leicht lässt sich jemand, der nicht rechtskundig ist, abwimmeln.
Warum gibt es das bei uns nicht? Der Verweis auf den Ex-Kanzler greift zu kurz. In Zeiten, in denen Budgets aus dem Ruder laufen, ist es sogar aus Sicht von Regierenden dumm, wenn sie weiterhin Intransparenz walten lassen. Gerade hier wäre es wichtig, Bürger zu Beteiligten zu machen.
Warum? Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Dass der Unmut über Sparmaßnahmen groß ist, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass für eine breitere Öffentlichkeit nicht klar ist, wofür wie viel Geld ausgegeben wird und wie die Entwicklungen und Perspektiven sind. Sie können das nicht nachvollziehen.
Insofern wäre Informationsfreiheit auch für Regierende eine Riesenchance, die sie nützen könnten, um maximal offen zu kommunizieren und auch von sich aus alles in einer Form auf den Tisch zu legen, dass es erfassbar ist: Wissende Bürger sind viel eher bereit, Unangenehmes mitzutragen. Bürger, denn man Relevantes vorenthält, werden hingegen mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht nur Protestwähler, sondern fallen auch billigen Stimmungsmachern zum Opfer.