Viele Gründe für Gehaltskluft zwischen Frauen und Männern

In Vorarlberg ist der Gender Pay Gap nach wie vor am höchsten. EU-Gehaltstransparenzrichtlinie könnte Verbesserungen bringen.
Schwarzach Es ist jedes Jahr ähnlich. Entweder gegen Beginn oder Ende findet, je nach Interpretation, der Equal Pay Day statt. Dabei geht es darum, wie lange Frauen unbezahlt arbeiten müssen, wenn ihr Gehalt mit jenem der Männer verglichen wird. Und jedes Jahr ist Vorarlberg Schlusslicht. Hierzulande klafft die Lücke zwischen den Gehältern, der Gender Pay Gap, mit 22,7 Prozent am weitesten auseinander. Arbeiterkammer und Gewerkschaft hoffen, dass die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie Verbesserungen bringt. Hannes Tschütscher, Dozent für Personalmanagement und Arbeitspsychologie an der Fachhochschule Vorarlberg, verweist aber darauf, dass dies von der Umsetzung in nationales Recht abhängt.
Vollzeit-Gehälter als Basis
Basis der Berechnung der Gehaltskluft von 22,7 Prozent sind die durchschnittlichen Brutto-Jahresgehälter von ganzjährig Vollzeitbeschäftigten aufgrund von Daten der Statistik Austria. Österreichweit gesehen beträgt der Einkommensunterschied 16,3 Prozent. Der Equal Pay Day findet am 2. November statt, in Vorarlberg hingegen schon am Freitag, den 10. Oktober. 83 Tage arbeiten die Vorarlbergerinnen im Vergleich zu den Vorarlbergern somit “gratis.”
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Doch wie lassen sich diese großen Unterschiede in Vorarlberg erklären? Hannes Tschütscher, Experte an der FH, spricht auf VN-Anfrage von “mannigfaltigen Gründen”, die sich auch nur schwer erforschen lassen. Er verweist auf eine Einschätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, wonach die Sachgüterproduktion in Vorarlberg eine wichtigere Rolle spielt als in anderen Bundesländern wie etwa Wien. Diese Branche sei im Durchschnitt höher entlohnt und traditionell stärker männlich geprägt. Dazu kommt ein grenzüberschreitender Arbeitsmarkt. “Viele Männer aus der Region arbeiten in Liechtenstein und der Schweiz und erzielen dort oft höhere Einkommen, was den regionalen Einkommensunterschied zusätzlich vergrößert.” Es gebe zudem ein hoher Anteil männlicher Führungskräfte, was sich direkt in den Lohnstatistiken niederschlägt. “Darüber hinaus deuten Studien darauf hin, dass auch traditionelle Geschlechterbilder eine Rolle spielen”, erläutert Tschütscher weiter. Längere Unterbrechungen im Job, etwa wegen der Kinderbetreuung, träfen nach wie vor überwiegend Frauen.

AK und ÖGB hoffen auf die Lohntransparenzrichtlinie der Europäischen Union. Sie soll Unternehmen zu mehr Gehaltstransparenz verpflichten. Eine Studie der FH unter mittleren und größeren Betrieben zeigt, wie vorbereitet die Firmen darauf sind.
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Studienautor Tschütscher gibt zu bedenken, dass die Richtlinie noch immer nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, obwohl sie für Unternehmen in weniger als einem Jahr verbindlich wird. Je nachdem, wie die Vorgaben ausgestaltet werden, stehe und falle deren Wirksamkeit. Schon jetzt gebe es die Pflicht für Unternehmen ab 150 Mitarbeitenden, Einkommensberichte zu erstellen, bei denen Durchschnittseinkommen von Frauen und Männern im jeweiligen KV veröffentlicht werden. “Diese Regelung war aber nach meiner Wahrnehmung eher zahnlos und hatte kaum praktische Relevanz.” Mit der neuen Richtlinie ist eine Änderung möglich. “Mitarbeitende, die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung erfahren haben, können Schadenersatz einklagen, inklusive der vollständigen Nachzahlung entgangener Entgelte.” Künftig liege die Beweislast nicht mehr beim Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber sei in der Pflicht und müsse mit Geldbußen rechnen.
Tschütscher hält zwar fest, dass der Gender Pay Gap auch strukturelle Unterschiede umfasst, die Unternehmen nur begrenzt beeinflussen können. “Der Grundsatz gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit fällt jedoch klar in ihren Verantwortungsbereich.”