Geburtenstation wandert 2028 nach Bregenz. Rüscher bekräftigt im VN-Interview: “Wenn der Träger gewollt hätte, hätte er es anders haben können.”

Landesrätin Rüscher erklärt im VN-Interview, weshalb Abteilungen zusammengelegt werden und weshalb die Geburtenstation auch in Dornbirn hätte bleiben können.
Bregenz Vorarlbergs Spitalslandschaft steht vor einem großen Umbruch. Die Landesregierung präsentierte am Donnerstag 17 Änderungen. Eine davon: Die Gynäkologie und Geburtshilfe sowie die Kinderabteilung werden in Bregenz zusammengelegt, in Dornbirn werden die Fächer Orthopädie und Traumatologie gebündelt. Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) verteidigt im VN-Interview den umstrittenen Wechsel. Sie erklärt, was die Stadt damit zu tun hat, warum die Schritte nötig sind und blickt schon weiter in die Zukunft. Unter anderem spricht sie über die Zahl der Spitäler im Unterland.
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Sie haben 17 Änderungen präsentiert. Wieso sind sie nötig?
Rüscher Im Jahr 2050 wird Vorarlberg rund 450.000 Einwohner haben. Davon werden 27 Prozent über 65 Jahre alt sein, derzeit sind es 19 Prozent. Diese Personengruppe verlangt ungefähr viermal so hohe Gesundheitsausgaben wie Menschen unter 65. Wenn wir nichts tun, rauschen wir in der Kostensituation nach oben. Außerdem kommen weniger junge Menschen nach. Sowohl mit dem Personal als auch den finanziellen Ressourcen können wir das System in zehn bis 20 Jahren nicht mehr halten.
Bis wann soll alles abgeschlossen sein?
Rüscher Der Zeitplan sieht vor, dass wir die Maßnahmen bis 2030 umgesetzt haben. Wir starten jetzt damit. Manche Bereiche brauchen vorher noch bauliche Änderungen. Das betrifft insbesondere den Standort Feldkirch, weil wir die Akutneurologie und die komplette Onkologie von Rankweil auf Feldkirch verlagern. Dafür braucht es einen Neubau, der wird voraussichtlich erst 2032 oder 33 fertig sein.

In Bregenz braucht es keinen Neubau?
Rüscher Zwischen Bregenz und Dornbirn gibt es einen Fächertausch. Wir haben vor, in Dornbirn die Orthopädie und Traumatologie für das ganze Unterland zu etablieren, auch die konservative Orthopädie von Hohenems übersiedelt nach Dornbirn. In Bregenz wird das große Eltern-Kind-Zentrum entstehen. Dafür brauchen wir neue Kreißsäle. Weil aber Räumlichkeiten frei werden, müssen wir sie nur adaptieren. Umgekehrt können wir die Kreißsäle in Dornbirn als Eingriffsräume für ambulante und tagesklinische Eingriffe nutzen. Das geht relativ einfach.
Zunächst sollte der Wechsel ja andersrum stattfinden.
Rüscher Wir sind mit Arbeitsthesen in das heurige Jahr gestartet und haben sie mit über 300 Köpfen aus allen Stationen und allen Häusern diskutiert. Wir sind zum Beispiel mit der Arbeitsthese gestartet, dass die Ortho/Trauma in Bregenz und die Geburtshilfe, Gynäkologie und Pädiatrie in Dornbirn ist. Wichtig ist dabei zu betonen, dass die Zusammenführung vor allem aufgrund der Pädiatrie gestartet wurde. Sie ist an beiden Standorten nicht voll ausgelastet, die mussten wir zusammenführen. Eine Gynäkologie und vor allem eine Geburtshilfe ohne Pädiatrie funktioniert nicht. Aus den Teams kam die Rückmeldung, dass sie die Ortho/Trauma in Dornbirn als wesentlichen Schwerpunkt behalten wollen. Und die Stadt Dornbirn hat für beide Varianten keine Präferenz abgegeben. Es kam nur die Meldung, man sei für Gespräche offen, möchte aber beide Varianten nicht. Alles zu belassen, wie es ist, war aus unserer Sicht aber nicht möglich.

Was geschieht mit den zertifizierten Abteilungen? Kann man die einfach mitnehmen?
Rüscher Man kann sie sicher in Bregenz wieder aufbauen. Wir sehen ja, dass dort in ganz hoher Qualität gearbeitet wird. Wir haben drei zertifizierte Zentren in Dornbirn und Feldkirch. Das Beckenbodenzentrum wird nach Bregenz mitgenommen. Die anderen zwei Zentren werden zwar auch von Bregenz geführt, bekommen aber auch ein paar Betten in Dornbirn, zumindest bis sie in Bregenz ideal aufgebaut sind.
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Laut Dornbirns früherer Bürgermeisterin Andrea Kaufmann war eigentlich beschlossen, dass die Geburtshilfe in Dornbirn bleibt. Darum sei das gemeinsame Primariat eingeführt und in Kreißsäle investiert worden. Stößt man Dornbirn nun nicht vor den Kopf?
Rüscher Das finde ich nicht. Wir haben Dornbirn gefragt, was es gerne in Zukunft hätte. Da muss ich schon auch den Träger, also die Stadt, in die Pflicht nehmen. Wenn keine Rückmeldung kommt außer der Information, dass man alles nicht will, dann ist das zu wenig. Es ist nicht das Haus der Stadt Dornbirn. Die Stadt finanziert fünf Prozent der gesamten Krankenhauskosten. 95 Prozent kommen aus Bundesmitteln, Sozialversicherungsmitteln, Landes- und Gemeindemitteln. Die 95 anderen Gemeinden finanzieren das Spital also mit. Wenn der Träger gewollt hätte, hätte er es anders haben können.
Also hätte die Stadt gesagt, dass die Geburtshilfe bleiben soll, hätte das Land den Wunsch berücksichtigt?
Rüscher Absolut. Wir sind mit dieser These ja sogar in den Prozess gestartet.

Was passiert mit der Anlaufstelle für Opfer von sexualisierter Gewalt?
Rüscher Wir haben in allen Krankenhäusern Opferschutzstellen und stehen gerade vor der Realisierung eines neuen Konzeptes, um sie in Zukunft weiter auszubauen. Bei der speziellen Missbrauchsambulanz in Dornbirn prüfen wir noch, ob die Überführung nach Bregenz sofort stattfindet oder ob wir sie noch so lange in Dornbirn lassen, bis sie in Bregenz fertig aufgebaut ist.
56.000 Menschen haben eine Petition unterschrieben, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Spitals in Dornbirn initiiert wurde. Wie bekommen Sie diese Mitarbeiter der Geburtshilfe dazu, den Arbeitsort zu wechseln?
Rüscher Wir haben diese Frage nicht nur bei der Geburtshilfe, sondern in allen Fächern, die wir zusammenführen. Es wird an uns liegen, gute Angebote zu machen. Hoffentlich wird es uns auch gelingen, dass den Teams weiterhin die Arbeit und der Inhalt am Herzen liegt. Gerade in der Geburtshilfe und Gynäkologie ist der Zusammenführungsprozess schon in den letzten Jahren entstanden. Die Teams kennen sich. Die einzige, aber ja, gravierende Änderung ist es, dass der Dienstort nicht mehr Dornbirn, sondern Bregenz ist.
Und der Arbeitgeber ändert sich.
Rüscher Genau. Das trifft ja auch die Orthopäden und Traumatologen, die nach Dornbirn wechseln. Da ist die Frage, ob sie lieber Landesbedienstete bleiben möchten oder zu einer Stadt wechseln wollen. Das werden Einzelgespräche zeigen. Wenn jemand den Arbeitgeber nicht wechseln will, wird es auch die Möglichkeit einer Dienstzuteilung geben.

Kann Bregenz 2400 Geburten stemmen?
Rüscher Ja, wir brauchen dafür aber natürlich mehr Personal und jedenfalls zwei weitere Kreißsäle. Das ist aber einkalkuliert. Wir sprechen hier nicht von hohen Kosten. Sie werden sich in drei bis fünf Jahren rechnen.
Wie viel kostet der Umbau?
Rüscher Wir sprechen von Investitionen von rund fünf Millionen Euro. Die Investitionen in Dornbirn sind ja umgekehrt auch nicht verloren, weil wir die Räume als Eingriffsräume nutzen können.
Auch 56.000 Unterschriften bringen Sie nicht zum Umdenken?
Rüscher Nein. Wir haben ja sehr gute Argumente, warum wir zusammenführen. Ich verstehe die Emotion sehr gut. Auch die Sorge, man würde etwas schließen. Aber das ist nicht richtig. Wir verlegen einen Standort, um die Qualität zu stärken. In Bregenz gibt es ja auch eine hohe Kultur in diesem Bereich. Es gibt eine Stillambulanz, es gibt anonyme Geburten, es gibt eine Babyklappe. Auch in Bregenz arbeitet ein hoch engagiertes Team, das sich sehr darauf freut, ein Eltern-Kind-Zentrum aufzubauen, das noch mehr kann, wenn ein Standort gebündelt ist. Wir überlegen zum Beispiel, eine Art hebammenzentrierte Geburtsmöglichkeit zu ermöglichen. Das geht nur an einem größeren Standort.

Wann zieht die Station um?
Rüscher Wir werden die Reform heuer beschließen. 2026 starten die organisatorischen Abteilungszusammenführungen. Die baulichen Vorbereitungen beginnen sofort. 2027 wollen wir den Bau umsetzen, 2028 tauschen die Abteilungen.
Also ab 2028 fahren Dornbirnerinnen nach Bregenz zur Geburt.
Rüscher Genau. Und die Bregenzer, die eine orthopädische, traumatologische Versorgung brauchen, fahren nach Dornbirn. Es wird aber an beiden Orten eine Ambulanz bleiben. Die Kinderambulanz bleibt in Dornbirn erhalten. Mit einem kranken Kind gibt es dort weiterhin die Erstversorgung. Umgekehrt wird man bei einer Verletzung weiterhin ins Bregenzer Spital in die Traumambulanz gehen können, die von Dornbirn geführt wird.
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In Vorarlberg gibt es mit Feldkirch ein Schwerpunktkrankenhaus. In Hohenems, Dornbirn und Bregenz stehen sogenannte Standardkrankenhäuser. Werden diese Häuser irgendwann zusammengelegt?
Rüscher Wir können uns durchaus vorstellen, diese Standardkrankenhäuser weiter zusammenzuführen. Aber da ist noch vieles offen. Es gibt die Möglichkeit, dass es im Unterland in Zukunft nur eines gibt. Oder, dass eines die stationäre Versorgung und eines die tagesklinische Versorgung übernimmt. Wir müssen uns auch die Nachnutzungen von bestehenden Gebäuden ansehen. Und wir müssen Investitionen berücksichtigen. Das ist auch der Grund, warum wir in Dornbirn keinen großen Neubau bewilligen. Das würde uns den Spielraum für die nächsten 20 Jahre nehmen. Die Investition in Feldkirch werden wir priorisieren. Wir haben hohen Investitionsbedarf in beide Bettentürme und brauchen einen neuen Baukörper. Wenn wir genau wissen, was alles umfasst ist, können wir in die Finanzplanung gehen. Klar ist deshalb aber auch: Wenn es weitere Zusammenführungen geben wird, dann nur in ein Landeskrankenhaus.
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Das heißt, entweder Landeskrankenhaus oder keine Investition in Dornbirn?
Rüscher Das hat weniger mit der Trägerschaft zu tun. Zunächst müssen wir abklären, ob es einen Standort braucht oder zwei Standorte. Außerdem müssen wir uns die Flächen anschauen. In Bregenz haben wir um das Landeskrankenhaus viele freie Flächen. Vielleicht werden sich auch ganz andere Flächen anbieten, in Autobahnnähe zum Beispiel.
Also kann es sein, dass im Unterland an der Autobahn ein neues Standardkrankenhaus entsteht?
Rüscher Das ist jetzt noch nicht zu beantworten. Aber es ist jedenfalls eine mögliche Variante. Eine logische Variante ist aber auch, dass es zwei Standorte gibt. Einen für die Tagesklinik, einen stationär.

Soll Dornbirn ein Landeskrankenhaus werden?
Rüscher Dornbirn hat uns mitgeteilt, dass die Stadt vor großen finanziellen Herausforderungen steht. Sie kann sich neue Investitionen nicht leisten. Außerdem wünscht sie sich eine Deckelung des Trägeranteils und es gab schon Gedanken, den regulären Beitrag zum Landesgesundheitsfonds nicht mehr zu finanzieren, weil man ja selber Träger ist. Ich will auch eine gemeinsame Gesellschaft zwischen Stadt und KHBG nicht ausschließen. Aus unserer Sicht gibt es keinen Bedarf, die Trägerschaft zu verändern. Aber Dornbirn kann jederzeit an uns herantreten, wir sind offen für Gespräche.
Die Spitäler Dornbirn und Hohenems liegen sehr nahe beieinander. Also ist die Chance groß, dass es eines erwischt?
Rüscher Für Tirolerinnen liegen auch Dornbirn und Bregenz nah beieinander.
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Die Prämisse, dass alle Spitäler erhalten bleiben, gibt es nicht mehr?
Rüscher Ganz genau. In Zukunft werden wir sicher weiter bündeln.
Von welchem Zeitrahmen sprechen wir?
Rüscher Wir haben uns zum Ziel gesetzt, diese Pläne in zwei bis drei Jahren weiter zu konkretisieren. Aber es gibt noch keinen Zeitpunkt, zu dem wir exakt wissen wollen, wohin die Reise geht.
Stimmt es, dass es unter einem schwarzen Bürgermeister nicht dazu gekommen wäre?
Rüscher Das kann ich klar zurückweisen. Die Zusammenführung ist notwendig, daran führt kein Weg vorbei. Markus Fäßler schätze ich als Person. Ich hätte mir nur eine klarere Rückmeldung zu den beiden Varianten gewünscht.
Begriffserklärung
Die Pädiatrie ist die Medizin für Kinder und Jugendliche bis etwa zum 18. Lebensjahr.
Die Neonatologie ist ein Teilgebiet der Pädiatrie, das sich mit der Medizin der Neugeborenen befasst – insbesondere mit der Betreuung und Behandlung von Frühgeborenen, kranken oder untergewichtigen Babys in den ersten Lebenswochen.
Die Orthopädie ist die Medizin für Knochen, Gelenke und Beweglichkeit. Sie befasst sich sowohl mit der Vorbeugung und Diagnose als auch mit der Behandlung von Haltungsschäden, Arthrose, Rückenschmerzen oder Fehlstellungen.
Die Traumatologie ist ein Spezialbereich der Orthopädie und beschäftigt sich mit Verletzungen des Bewegungsapparates – also von Knochen, Gelenken, Muskeln, Sehnen und Bändern.
Die Urologie ist die Medizin für Harnwege und männliche Fortpflanzungsorgane.
Die Gynäkologie ist die Frauenheilkunde. Dazu gehört etwa auch die Schwangerschaftsbetreuung und Geburtshilfe.
Die Onkologie befasst sich mit Krebserkrankungen – also mit der Diagnose, Behandlung und Nachsorge von gutartigen und bösartigen Tumoren in allen Organen.
Die Akutgeriatrie ist die Notfall- und Akutversorgung für ältere Patientinnen und Patienten.
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