Kommentar: Fortschritt zur Verantwortung

Politik / 06.11.2025 • 07:30 Uhr
Kommentar: Fortschritt zur Verantwortung

Nächste Woche startet in Brasilien die 30. UNO-Klimakonferenz. Bis zum 21. November geht es um Klimaschutz – also das rasche Reduzieren und Stoppen unseres Treibhausgasausstoßes – und um Resilienz, Transformation und Anpassung an die unausweichlichen Folgen des Klimawandels. Das Climate Change Centre Austria teilte im Vorfeld der Konferenz mit, dass wir uns ohne rasche Trendwende auf dem Weg in eine etwa bis zu drei Grad heißere Welt (bis 2050) befinden.

Klimawandelbedingte Extremereignisse sind schon jetzt keine Ausnahme mehr, sondern prägender Teil unserer Realität – und sie werden bei weiterem Treibhausgasausstoß und der daraus resultierenden Temperaturzunahme immer häufiger und heftiger. Klimaschutz und Anpassung rücken daher nicht nur auf der Klimakonferenz, sondern auch bei uns zunehmend in den Mittelpunkt.

Anfang Oktober schrieb ich an dieser Stelle, dass Österreich ein ambitioniertes Klimagesetz braucht – und dass uns der Bau neuer Autobahnen zu viel kostet.

In Dornbirn fand wenige Tage später die österreichische Naturgefahrentagung statt. Dabei ging es um Hitze, Starkregen und auch immer wieder um die Frage, wie angesichts knapper Kassen die nötigen Mittel für Anpassungsmaßnahmen aufgebracht werden können.

Dort kam mir ein Gedanke: Nehmen wir an, die geschätzten Kosten von etwa 376 Millionen Euro für den Stadttunnel in Feldkirch und 2,1 Milliarden Euro für die S18 stünden stattdessen den Städten und Gemeinden in Vorarlberg für Klimawandelanpassung zur Verfügung – wie viel Geld bekämen sie etwa nach Bevölkerungsanteil? Für fünf Gemeinden und Städte habe ich das beispielhaft ausgerechnet:

Sulz: 16 Millionen Euro
Schruns: 24 Millionen Euro
Rankweil: 73 Millionen Euro
Feldkirch: 220 Millionen Euro
Dornbirn: 314 Millionen Euro

Damit ließe sich viel bewirken.

Und für mich wird somit immer klarer: Die Fortschrittserzählung der letzten Jahrzehnte – die vom ständigen Mehr, vom unbeschränkten Wachstum, vom Glauben, Technik werde schon alles richten – stößt an ihre Grenzen.
Denn jetzt verlangt die Realität etwas anderes: Reife.
Die Klimakrise ist nicht nur eine ökologische Krise, sondern auch ein politischer, sozialer und kultureller Umbruch. Sie ruft uns auf, erwachsen zu werden. Und aus dem Fortschritt von gestern die Verantwortung von heute und morgen zu machen – gerade bei den Entscheidungen, welche Infrastruktur wir bauen, in welche Richtung wir uns als Gesellschaft entwickeln und wie wir uns vor den Folgen der Klimakrise und vor künftigen Naturgefahren schützen.

Das ist Fortschritt zur Verantwortung!

Der Vorarlberger Simon Tschannett ist Meteorologe und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Stadtklimatologie.