Reformdruck nach Todesfällen steigt

Bund, Länder und Sozialversicherungen suchten am Freitag weiter nach Wegen aus der Reformblockade.
Wien Das österreichische Gesundheitssystem gilt als teuer, zersplittert – und derzeit auch als überfordert. Die tragischen Todesfälle der vergangenen Wochen in Oberösterreich und Salzburg haben die Schwächen im System offengelegt: In Rohrbach starb im Oktober eine Frau nach einem Aortenriss, weil sie aus Kapazitätsgründen von keinem der spezialisierten Spitäler übernommen werden konnte. In Zell am See verstarb ein Mann auf dem Parkplatz vor dem Tauernklinikum – womöglich, weil rasche Hilfe fehlte. Am Freitag kamen in Wien Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zu einer weiteren Runde der „Reformpartnerschaft Gesundheit“ zusammen.
Der Termin war schon länger geplant, Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) setzte die Ereignisse aber kurzfristig auf die Tagesordnung. Erste Schritte, damit Notfallversorgung länderübergreifend und in den Abläufen verbessert wird, sollen bei einem Treffen mit den Landesgesundheitsreferenten kommende Woche gesetzt werden, sagte die Ministerin.
Notfallplattform statt Telefonkette
Einer, der an den Gesprächen teilnahm, ist Neos-Gesundheitssprecher Johannes Gasser. Er schildert: „Die Frage ist, wie Kapazitäten und Versorgung auch bundesländergrenzüberschreitend geplant werden können. Es ist nicht sinnvoll, dass man in Akutsituationen erst zum Hörer greifen muss, um durchzutelefonieren.“ Ziel müsse eine digitale Notfallplattform sein. Neben der klinischen Notfallversorgung standen bei dem Treffen auch Digitalisierung, Berufsbild und Arbeitsbedingungen im Vordergrund.
Die Reformpartnerschaft Gesundheit ist eine von mehreren Arbeitsgruppen innerhalb der von den Gebietskörperschaften gestarteten „Reformpartnerschaft Österreich“. Bis Ende 2026 sollen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Energie und Verwaltung tiefgreifende Strukturveränderungen beschlossen werden.
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Kompetenzen entflechten
Für Gasser liegt der Schlüssel zu einem funktionierenden System in klaren Zuständigkeiten. „Zur Lösung ganz vieler Probleme – von Wartezeiten über die bestmögliche Versorgung bis zur Patientensteuerung – braucht es eine Steuerung und Finanzierung aus einer Hand“, betont er.
Föderalismusdebatte neu entfacht
Zuletzt hatte Salzburgs Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ÖVP) vorgeschlagen, die Gesundheitsagenden samt Spitäler an den Bund zu übertragen. Amtskollege Markus Wallner (ÖVP) erteilte dem eine Absage: Das bringe keine Vorteile für die Patientinnen und Patienten, verlängere Wartezeiten, erhöhe Kosten und schaffe eine „lähmende Zentralbürokratie“. Ähnliche Erfahrungen habe man bereits mit der Abschaffung der eigenständigen Gebietskrankenkassen gemacht. Wallner ließ zum Treffen am Freitag ausrichten: „An der heutigen Sitzung sind wir nicht beteiligt.“ Gasser zog ein pragmatisches Fazit: „Diese Kompetenzentflechtung wird nicht Ende 2026 komplett abgeschlossen sein. Aber Grundsatzentscheidungen müssen in dieser Zeit fallen, um darauf aufbauen zu können.“
Reform auch bei Sozialhilfe
Bereits am Vortag hatten Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden im Sozialministerium über eine weitreichende Reform der Sozialhilfe beraten. Ziel ist eine bundesweite Vereinheitlichung der derzeit unterschiedlichen Regeln bis Anfang 2027. Außerdem soll die Zusammenarbeit zwischen Arbeitsmarktservice (AMS) und Sozialhilfebehörden verbessert werden, um Menschen schneller und gezielter in den Arbeitsmarkt zu bringen. Bernhard Bereuter, Geschäftsführer des AMS Vorarlberg, betont gegenüber den VN, dass der Prozess noch am Anfang stehe. Noch sei unklar, ob die Reform zusätzliche Aufgaben oder Ressourcen für das AMS bringe. „Es ist zu früh, Genaueres zu sagen – das hängt vom Ergebnis ab“, sagt Bereuter. Bei der operativen Umsetzung werde man frühzeitig eingebunden werden. Eine weitere politische Runde ist für Dezember geplant.