Regierungsberater Hohenauer: “Wenn man es umgekehrt gemacht hätte, hätten ebenfalls viele Menschen unterschrieben”

Der Berater der Spitalsreform des Landes erklärt im VN-Interview, wie es zu den Entscheidungen gekommen ist.
Bregenz Johannes Hohenauer von der Firma BDO ist als Berater für das Gesundheitswesen in Schweden tätig, in Augsburg und weiteren Gebieten im deutschsprachigen Raum. Eben auch in Vorarlberg, wo er die Landesregierung auf dem Weg zum Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG) 2030 unterstützt. Er hat die Spitalsreform mitgeprägt. Im VN-Interview argumentiert er den Abzug der Geburtshilfe aus Dornbirn. Er berichtet, wo er ebenfalls einen Aufschrei erwartet hat und erläutert, ob die Spitalsstandorte nun gesichert sind.
Warum müssen die Geburtenstation, die Kinderstation und die Gynäkologie von Dornbirn nach Bregenz?
Johannes Hohenauer Weil es Sinn macht, sie an einem Standort im Unterland zusammenzubringen. International liegt die idealtypische Größe bei 1500 bis 3000 Geburten. Damit kann man eine nachhaltige Kinderheilkunde sichern, 24 Stunden pro Tag. In Vorarlberg haben wir etwas unter 4000 Geburten, und leider sinkt das weiter. Langfristig bekommen wir die Größen also nur mit zwei Standorten zusammen.
Und warum Bregenz und nicht Dornbirn?
Hohenauer Sie wissen, zunächst lautete der Plan, die Station in Dornbirn zu verankern. Dann hat es trägerseitig aber recht viel Abwehr und jedenfalls keine Akzeptanz dieses Planes gegeben. In der Diskussion hat sich zudem gezeigt, dass es auch Vorteile hat, die Orthopädie/Traumatologie in Dornbirn zu belassen, weil dort der OP-Betrieb sehr gut aufgestellt ist. Und solange wir die Urologie nicht gesamthaft von Bregenz nach Feldkirch übersiedeln, wäre es schwierig gewesen, die komplette Orthopädie/Traumatologie in Bregenz anzusiedeln. Das wäre erst 2032 der Fall. Deswegen haben wir uns in einer relativ späten Phase umentschieden. Für die KHBG hätten von Anfang an beide Lösungen gepasst. Ich glaube, jetzt in der Umsetzung ist dies die bessere Lösung und an der ist festzuhalten.
Aber man hat doch in Dornbirn gerade erst wieder Geld in neue Kreißsäle gesteckt.
Hohenauer Das Geld ist nicht weg. Die Kreißsäle in Dornbirn liegen auf einer Ebene mit den OPs und sind auch deshalb gut umnutzbar, um ambulante Operationen durchzuführen. In Bregenz hätte man das Problem, dass der Kreißsaal über dem OP liegt.

Haben 56.000 Menschen umsonst unterschrieben?
Hohenauer Das ist eine legitime Äußerung und die Argumente werden sehr ernst genommen. Die Perspektive ist aber: In 20 Jahren wird es jedenfalls nur noch zwei Geburtenstationen in Vorarlberg geben können. Und jetzt ist die Entscheidung gekommen, dass eine in Bregenz ist. Wenn man es umgekehrt gemacht hätte, hätten ebenfalls viele Menschen unterschrieben.
Haben Sie mit diesem Gegenwind gerechnet?
Hohenauer Ja.
Auch, dass es nur dieses Thema betrifft? Schließlich wandert etwa die Urologie komplett aus dem Unterland ab.
Hohenauer Ehrlicherweise hätte ich erwartet, dass wir auch dazu Diskussionen haben. Ich habe auch keinen Aufschrei darüber vernommen, dass es in Bregenz keine Traumatologie mehr geben soll. Klar, das Eltern-Kind-Zentrum ist mit viel Emotionalität verbunden. Das verstehe ich auch.

Ist es möglich, die Zertifizierungen abzusichern?
Hohenauer Ja. Man muss sich anschauen, was alles nach Bregenz transferiert wird und was mit ein paar Betten auch in Dornbirn bleiben kann. Das ist die Aufgabe der Detailplanung. Aber Zertifizierungen sind transferierbar, das ist machbar.
Liegt der Konflikt auch daran, dass es beim Thema Geburtshilfe zwei Träger gibt?
Hohenauer Vielleicht. Während des Prozesses habe ich das aber nicht so wahrgenommen. Da haben sich die Vertreter der KHBG genauso kritisch geäußert wie Vertreter aus Dornbirn. Vielleicht sind Veränderungen mit einem Träger einfacher. Jetzt erleben wir aber politische Betroffenheit, weil etwas zugesperrt wird, was man sehr schätzt. Das wäre in jedem Fall so. Schauen Sie sich die Steiermark an: Dort gibt es auch sehr viele Unterschriften gegen Veränderung. Und es gibt nur einen Träger.
Welche der 17 Änderungen ist für Sie die größte?
Hohenauer Für die Betroffenen ist die größte Änderung, dass es eine Kinder- und Jugendpsychosomatik geben wird, die es derzeit in Vorarlberg gar nicht gibt. Auch die Akut-Geriatrie ist etwas, was wir mit Blick auf die Demografie dringend brauchen werden. Sie wird ebenfalls neu geschaffen. Von der Verlagerung der Neurologie und der Onkologie werden sehr viele Menschen profitieren. Ich sehe viele positive Effekte.

Sie sind ja in der Diskussion durch Ihre Rolle im KHBG-Aufsichtsrat auch selbst zum Thema geworden. Verstehen Sie diese Kritik?
Hohenauer Aus meiner Sicht ist die Sache klar. In allen Tätigkeiten, die ich in Vorarlberg ausübe, bin ich im Auftrag des Landes unterwegs. Also sehe ich keinen Interessenkonflikt, wenn ich mich mit denselben Personen abstimme und dieselben Ziele verfolge. Das Ziel meiner Tätigkeit ist immer, für das Land Vorarlberg die Gesundheitsversorgung zu sichern.
Wie zukunftsfähig ist die Vorarlberger Spitalsstruktur mit sieben Spitälern innerhalb von wenigen Kilometern?
Hohenauer Man wird stark differenzieren. Im Oberland ist diese Entwicklung schon klar eingeleitet. Feldkirch mit Bludenz als Außenstelle mit einer Akutversorgung. Im Unterland wird man sich die weitere Differenzierung überlegen müssen. Auch vor möglichen Investitionen in Dornbirn: Wie stellt man diese auf, mit dem Blick, was im Jahr 2038 richtig ist?
Während Landesstatthalter Christof Bitschi im Landtag betont, dass mit dieser Reform die Standorte gesichert sind, sagt Martina Rüscher, dass es keine Standortgarantie gibt. Was stimmt nun?
Hohenauer Das eine ist die Frage des Standorts, das andere die Frage der Funktion des Standorts. Wenn man die Standorte erhalten will, muss man sich weiter differenzierte Angebote überlegen. Und das, was wir tun, ist jetzt schon eine Differenzierung zwischen Dornbirn und Bregenz. Klar ist aber auch: Gäbe es bisher keine Spitäler, würde man zwei Standorte wählen.

Wie reformfähig ist das Gesundheitssystem insgesamt? In der Steiermark ist die Landesregierung mit ihrem Leitspital gescheitert.
Hohenauer Dort hat man sogar die schwierige Situation, dass die Alternative fast nicht lebbar ist. Es gibt kleine Krankenhäuser, die erhalten werden sollen, obwohl es kein Personal gibt. Am Wochenende gibt es keine Anästhesie. Da hilft der Volkswille nichts, wenn ich keine Anästhesisten finde. Man hat eine Versorgungsform für die 90er-Jahre gewählt. In Bludenz gab es vor vielen Jahren eine Kinderheilkunde, am Ende mit einem Kinderarzt, der fast rund um die Uhr verfügbar war und die Grundversorgung abdeckte. Heutzutage ist die Medizin aber so sehr weiterentwickelt, dass es viele Spezialisten in einer Abteilung braucht, die man in kleinen Strukturen gar nicht abdecken kann.