Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Kommentar: Mahrers Ego

Politik / HEUTE • 08:43 Uhr

Es ist fraglich, ob Harald Mahrer weiß, was er durch seine Rücktrittserklärung bestätigt hat. Dass es nämlich höchste Zeit war, dass er als Präsident der Wirtschaftskammer und nebenbei auch des ÖVP-Wirtschaftsbundes geht. Auf der Haben-Seite stehen ein grundsätzliches Bekenntnis zu einem weltoffenen Österreich, der europäischen Integration sowie einem sozialpartnerschaftlichen Interessensausgleich, für den er sich auch bei der Regierungsbildung starkgemacht hat. Stichwort Konsens. Das ist nicht nichts und gehört daher trotz aller Umstände betont.

Auf der anderen Seite steht, wie und in welcher Form der 52-Jährige seinen Rücktritt verkündet hat: per Videobotschaft auf Facebook. Es mag ein Zug der Zeit sein; Karl Nehammer hatte sich als Kanzler und ÖVP-Chef Anfang Jänner ebenfalls so vom Acker gemacht. Auch bei Mahrer bringt es jedoch viel zum Ausdruck.

Er ist weit weg von den Menschen. Wäre er ihnen bzw. zumindest Pflichtmitgliedern der Wirtschaftskammer nahe gewesen, hätte er gewusst, dass eine monatliche Gage von summa summarum 28.500 Euro für sich selbst in Zeiten wie diesen in einer solchen Funktion nicht geht. Genauso wenig wie eine Gehaltserhöhung von 4,2 Prozent für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kammer, die noch dazu auf Rücklagen in Höhe von zwei Milliarden Euro sitzt – während Betriebe zu kämpfen haben und Beschäftigten sowie Pensionisten tagein, tagaus gesagt wird, dass bei ihnen Zurückhaltung notwendig sei, weil sonst die Inflation nur weiter befeuert werden würde. Mahrer wäre von vornherein klar gewesen, dass derlei ausschließlich Wut und Empörung auslösen kann.

Er hätte geahnt, welchen Schaden er damit anrichtet: Es wirkt bestätigend für all jene, die immer schon der Überzeugung waren, dass Politiker Bonzen seien, die es sich und ihren Leuten richten. Dass die Folgen davon gerade jetzt verheerend sind, da sich viele Menschen aufgrund von Teuerung und anderen Unsicherheiten besonderes Augenmerk auf ihre Sorgen und Nöte erwarten würden. Nicht das glatte Gegenteil davon.

Harald Mahrer hatte kein Gespür dafür. Schlimmer: In seiner Rücktrittserklärung hat er nicht gesagt, er müsse Konsequenzen ziehen, weil er zu viel falsch gemacht habe. Er stellte sich ausschließlich als Opfer von persönlichen Ressentiments und von Populismus dar, um mitzuteilen: „Das ist nicht mein Spiel.“

Und das alles eben in einer Videobotschaft: Es ist wie eine Scheidung per WhatsApp-Nachricht. Es steht dafür, dass man sich keiner persönlichen Auseinandersetzung stellen will. Und im Falle Mahrers, wie schon in jenem Nehammers, zusätzlich für ein ausgeprägtes Demokratiedefizit: Beide sind unterschiedlich, aber doch gewählt worden. Sie haben um Vertrauen geworben und es wenigstens zum Teil bekommen. Daher wäre es das Mindeste, sich nicht nur mit einem selbstgerechten Monolog zu verabschieden, sondern sich mit kritischen Fragen konfrontieren zu lassen. Also offen Rechenschaft zu leisten, statt ausschließlich auf das eigene Ego bedacht zu sein.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.