Kommentar: Das Ende der Einzelkämpfer
Mehr als 60 Menschen aus dem politmedialen Österreich, von Medienunternehmern, Journalistinnen, juristischen Fachleuten bis hin zu Vertreterinnen der Zivilgesellschaft und Wissenschafterinnen, haben sich vergangene Woche zwei Tage in Klausur begeben. Mit einem großen, hehren Anliegen: Gemeinsame Ziele für die heimische Medienpolitik, besonders für die schwierige Frage der Medienförderungen, zu diskutieren und sich – wo möglich – auf Vorschläge zu einigen. Zum Abschluss der von der Datum-Stiftung für Journalismus und Demokratie und dem Verein „Ein Versprechen für die Republik“ initiierten Veranstaltung unter dem Titel „Acht Tische für die vierte Gewalt“ gab es zehn Empfehlungen, auch wenn wohl nicht alle Anwesenden diese so gänzlich teilen würden.
Ein erfreulich konstruktiver Ansatz für eine Branche, die so unter Druck steht, dass Zusammenhalt sehr an Attraktivität gewonnen hat. Alles Einzelkämpfer und Einzelkämpferinnen, die sich gegenseitig ausspielen, das sind die Strategien der alten Welt. In der neuen Medienrealität sind andere Haltungen gefragt, die sich etwa auch in diesen Forderungen der Konferenz zeigen: Bestehende Medienförderungen sollten vereinheitlicht und von einer unabhängigen Jury nach objektivierbaren, messbaren Kriterien vergeben werden; nur wer journalistische und verlegerische Standards, die in einem Kriterienkatalog festgelegt sind, einhält, sollte staatliche Gelder erhalten; Kindern und Jugendlichen sollte an Schulen „Medien und Demokratie“ als fächerübergreifende Kompetenz vermittelt werden.
Oberlehrerinnen und Sheriffs
Klassische Medien, die sich bemühen, seriöse Informationen anzubieten, bleiben wichtig für das demokratische System. Aufklärung und Kontrolle gehören zu den Aufgaben von Medien, auch wenn wir Medienschaffende heute vor allem die Rolle der Kuratorinnen und Kuratoren des niemals versiegenden Nachrichtenstroms haben. Wir sind schon lange keine machtvollen „Gatekeeper“ mehr, die bestimmen, was andere erfahren sollen. Auch wenn sich ein paar von uns noch immer gerne als Oberlehrerinnen oder Sheriffs aufspielen.
Der zunehmende Einfluss der Digitalkonzerne auf die Medienwelt und die Menschen sollte nicht nur Medienmanagerinnen oder Verleger nervös machen, sondern alle, die frei leben wollen. Denn diese Tech-Giganten scheren sich wenig um die Demokratie. Sie schüren mit ihren Algorithmen vielmehr noch die Gefühlsstürme, die im Netz regieren. Der sorgfältige Journalismus hat gerade in solch aufgeheizten Zeiten eine Funktion, für die er viel mehr leisten muss als vor 20 Jahren. Offenheit für neue Ideen und mehr Zusammenhalt können der Anfang vom langen, harten Weg in die Medienzukunft sein.
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und ist Redaktionsleiterin von ORF.at.
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