Gebremste Euphorie über Bürokratieabbau

Experten sehen das geplante Paket der Bundesregierung mit gemischten Gefühlen.
Wien, Schwarzach Die Bundesregierung hat sich auf ein erstes Maßnahmenpaket zur Entbürokratisierung geeinigt. 114 Einzelmaßnahmen wurden beschlossen, darunter sind die Verlängerung der Pickerl-Intervalle für Pkw, die Abschaffung diverser Berichtspflichten und der Genehmigungspflicht für PV-Anlagen sowie die Erhöhungen für Buchführungsgrenzen. Bundeskanzler Christian Stocker warb nach dem Ministerrat auch mit der Anhebung der Grenze für die doppelte Buchführung von 700.000 auf eine Million Euro sowie den Erleichterungen bei der Beantragung eines Reisepasses, indem bereits hinterlegte Dokumente nicht erneut eingebracht werden müssen. Experte Jan Kluge von der Agenda Austria nimmt dem Lob hingegen den Wind aus den Segeln.
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Manche Maßnahmen schon geplant
Lange hat vor allem der zuständige Staatssekretär Josef Schellhorn das Maßnahmenpaket angekündigt, am Mittwoch präsentierte er die einzelnen Punkte. Jan Kluge, Deregulierungsexperte bei der Agenda Austria, lobt: “Da sind einige gute Punkte dabei, etwa die AVG-Novelle, bei der es darum geht, Großprojekte schneller genehmigen zu können.” Er tritt aber auf die Euphoriebremse. “Das war aber schon vorhin klar, dass das kommt. Das hat man jetzt eben in die Listen mit reingenommen.” Oliver Picek, Chefökonom des Momentum-Instituts, sieht es ähnlich: “Der Großteil der Maßnahmen ist sinnvoll. Der Maßnahmenkatalog ist ein Sammelsurium kleinteiliger Prozessverbesserungen und Managemententscheidungen, welche die verschiedenen Ministerien ohnehin umsetzen wollen.”
Unter den Punkten finden sich weitere bereits abgekündigte Vorhaben wie die Beschleunigung von UVP-Verfahren. Einige Maßnahmen sind vage formuliert. So sollen etwa zur Vereinfachung der Arbeitnehmerveranlagung und Lohnverrechnung Expertengruppen eingerichtet werden, eine Deregulierung des Abfallwirtschaftsgesetzes wird für 2026 in Aussicht gestellt. Daneben finden sich kleinere Maßnahmen wie die Abschaffung diverser Berichtspflichten und von Genehmigungspflichten, etwa bei der Errichtung von PV-Anlagen und Ladestationen, oder die Einführung eines digitalen Gästeblatts für Hoteliers. Experte Kluge führt noch weitere Punkte an. “Den One-Stop-Shop für Förderungen schaue ich mir an. Wir haben bei der Transparenzdatenbank gesehen, dass so etwas nicht funktioniert. Ein persönliches Highlight ist Regel 63, dass man Dokumentationen in der Schifffahrt künftig nicht mehr mit Kugelschreiber und Tinte machen muss. Das macht in der großen Seefahrernation sicher viel aus.”
Intervalle für Pkw-Pickerl steigen
Auch für Bürgerinnen und Bürger gibt es Neuerungen. Ein Auto muss nicht mehr so oft vorgeführt werden, die Intervalle werden auf 4-2-2-2-1 Jahre verlängert. Erst ab dem zehnten Jahr ist damit eine jährliche Prüfung notwendig. Dieses Vorhaben stand bis zuletzt auf der Kippe, weil sich Interessensvertreter dagegen wehrten. Kluge ist überzeugt: “Da sieht man, dass sich Strukturen gegen noch so kleine Änderungsvorschläge wehren. Manche leben gut von der Bürokratie.” Was ihn zur Hauptkritik bringt: “Wenn man Regeln streicht, aber die Verwaltungskapazitäten nicht kürzt, dann wird man gleich neue Regeln haben. Das hat man nicht bedacht.” Aus Deutschland wisse man, was die Bürokratie der Wirtschaft koste.
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Ökonom Picek vom Momentum-Institut möchte die Bürokratie nicht grundsätzlich schlechtreden. “Das meiste an Bürokratie – Regeln, Gesetze, Vorschriften und die Prüfung ihrer Einhaltung – entsteht aber aus einem legitimen Schutzbedürfnis.” Etwa der Arbeitnehmerschutz und die Umweltverträglichkeitsverfahren. Und er betont: “Die Regierung sollte lieber die großen wirtschaftlichen Probleme lösen.”
Karlheinz Kopf, Präsident der Vorarlberger Wirtschaftskammer, lobt: “Das ist ein Anfang. Aber Bürokratieabbau darf kein einmaliges Ereignis sein – er muss ein kontinuierlicher Prozess werden.” Er spielt den Ball auch an die Landesregierung. “Dass die neue Bürokratieabbaustelle jetzt rasch in die Gänge kommt, ist ein Gebot der Stunde.”