Michael Prock

Kommentar

Michael Prock

Kommentar: Bürokratieabbau ist nicht sexy, aber nötig

Politik / 03.12.2025 • 16:14 Uhr

Wäre Bürokratie ein Rohstoff, wahlkämpfende Politiker wären die Bergwerker. Im Wahlkampf blühen die Abbau-Phantasien. Eigene Stellen und Regierungsämter werden versprochen, die sich dem Thema widmen sollen. Hört man den Wahlkämpfenden zu, könnte man meinen, Bürokratie sei eines der Top-Themen. Nach der Wahl erfolgt die Ernüchterung: Bürokratieabbau ist unsexy, mühsam – und eigentlich bei einer Wahl relativ egal. Das soll die Politik aber nicht davon abhalten, es trotzdem zu tun.

Die alltäglichen Ärgernisse gibt es tatsächlich. Etwa bei jenem Pensionisten, der sich mit seiner Leidenschaft ein kleines Taschengeld verdienen und selbst hergestellte Nudeln an Nachbarn und Verwandte verkaufen möchte. Pflichtbewusst meldet er das Gewerbe an. Jetzt darf er die Eier der Hühner des Nachbarn nicht mehr verwenden, weil sie nicht gekennzeichnet sind. Ein anderes Beispiel: Haben Sie schon einmal versucht, bei einem Neugeborenen ein biometrisches Foto für den Pass zu schießen? Zumindest den jährlichen Pickerl-Zwang versucht die Regierung nun zu entschärfen.

Es tut sich also etwas: eine eigene Bürokratieabbau-Stelle im Land, ein eigener Staatssekretär für Deregulierung (im Außenministerium) in der Bundesregierung. Jetzt folgt die erste Liste. Besagter Staatssekretär Josef Schellhorn präsentierte 114 Punkte, an denen Bürokratie abgebaut werden soll: das digitale Konsulat ausbauen, die Genehmigung von Kleinbadeteichen erleichtern. Ein neues Weingesetz soll her, und das Wasserbuch wird digitalisiert. Die Regierung möchte in vielen Bereichen den Datenaustausch erleichtern. Die Überschriften lauten “Anpassungen durch das CMDI-Paket” oder “Unbedenklichkeitserklärung der Gemeinde in § 7 KJBG streichen”. Klingt trocken. Bitte trotzdem umsetzen.

Viele der 114 Vorhaben sind Absichtserklärungen: Eine Expertengruppe soll die Arbeitnehmerveranlagung vereinfachen, eine Taskforce sich der Förderpolitik widmen. Die Verfahren im UVP-Gesetz sollen beschleunigt werden. Für Förderungen gibt es einen One-Stop-Shop. Kommt Ihnen das bekannt vor? UVP-Gesetz beschleunigen? One-Stop-Shop für Förderungen? Wer die Politik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte verfolgt, landet regelmäßig bei diesen Ankündigungen. Es wäre an der Zeit, Vorhaben auch umzusetzen.

Wer auf der Webseite der Wirtschaftskammer im Archiv nach “Bürokratieabbau” sucht, erhält fast 13.000 Treffer. Dem Wähler ist das Thema hingegen nicht wichtig. Bei der Foresight-Wahltagsumfrage zu den Wahlmotiven scheint es erst gar nicht auf. Es ist kein Top-Thema. Da hilft auch das Argument nichts, dass weniger Bürokratie die Wirtschaft ankurbelt, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen schafft und damit den Bürgerinnen und Bürgern hilft. Das darf für die Politik aber keine Ausrede sein.