“Ohne Reformen müssen die Gemeinden Leistungen reduzieren”

Für Expertin Mitterer gehen die Reformprozesse viel zu langsam. Die finanzielle Situation in den Gemeinden erfordere schnelleres Handeln, warnt sie.
Schwarzach Vor einigen Monaten befragte der Gemeindeverband die Bürgermeister im Land, wie sie die finanzielle Stimmung einschätzen. Das Ergebnis beschrieb Gemeindeverbandspräsident Walter Gohm so: “Die Stimmung hat sich eingetrübt, am Horizont sind bereits Gewitterwolken.” Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ beschreibt im VN-Interview die Finanzlage noch düsterer. Sie war auf Einladung des Landesrechnungshofs im Land.
Teilen Sie den Befund des Gemeindeverbandes?
Mitterer Das ist sogar nett umschrieben. Die Situation ist seit 2023 wirklich stark angespannt. Bisher haben die Gemeinden das noch mit Rücklagen übertaucht, aber diese Rücklagen sind jetzt weg. Und die Prognose zeigt, dass keine Besserung in Sicht ist.
Der Gemeindeverband sagt, dass er nur noch ein Drittel der Ertragsanteile, also der Steuereinnahmen, zur freien Verfügung hat. Was ist da aus dem Ruder gelaufen?
Mitterer Beim Finanzausgleich haben Sozial- und Gesundheitsausgaben eine relativ geringe Bedeutung gehabt. Jetzt rächt sich das. Man hat eine Chance verpasst.
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Was hätten die Verhandler diskutieren sollen?
Mitterer Über eine Transferreform ist nicht einmal gesprochen worden. Bei der Grundsteuer hat man eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die wurde abgeschlossen und die Entscheidung an die Politik weitergegeben. Da ist nichts passiert. Über den Zukunftsfonds gab es wenigstens Geld für die Kinderbetreuung. Das war wichtig, sonst wäre nicht einmal der laufende Betrieb gesichert gewesen. Aber ein Ausbau geht sich nicht aus.

Sie haben die Erhöhung der Grundsteuer als alternativlos bezeichnet. Warum?
Mitterer Weil die Gemeinden irgendeine Finanzierungsquelle für ihre Aufgaben brauchen. Die Grundsteuer ist eine stabile Einnahmequelle, weil wenig Dynamik drin ist.
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Verstehen Sie die Gegenargumente, dass Wohnen teurer werden würde und dass Österreich keine neuen Steuern braucht?
Mitterer Es ist keine neue Steuer, die Grundsteuer gibt es schon. Wenn ich ein Haus in den 70er- oder 80er-Jahren gebaut habe, hat sich der Betrag seitdem nicht geändert. Nun geht es darum, die Wertanpassung teilweise nachzuholen.
Sehen Sie weitere Einnahmequellen für Gemeinden?
Mitterer Gemeinden haben kein Steuerfindungsrecht, sondern sind im Wesentlichen darauf angewiesen, dass das Land Rahmenbedingungen schafft, wie bei der Zweitwohnsitz- und Leerstandsabgabe. Die ist aber auch nicht ideal, weil der Aufwand hoch ist und die Einnahmen teilweise geringer. Da könnte man das Volumen erhöhen, auch um tatsächlich einen Lenkungseffekt zu erreichen.

Welche Hoffnung setzen Sie in die Reformpartnerschaft?
Mitterer Das muss viel schneller gehen. Die Reformpartnerschaft hat sich bis Mitte des nächsten Jahres Zeit genommen, um sich überhaupt zu überlegen, was sie macht. Die Bereiche Pflege, Klimaschutz und Klimawandelanpassung kommen gar nicht vor. Zudem besteht die Gefahr, dass es zu einem Stillstand kommt, weil alle auf das Ergebnis warten. Ein paar Quick Wins hätte man aber dieses Jahr schon umsetzen können.
Was soll bei der Reformpartnerschaft rauskommen?
Mitterer Bei der Bildung ist ja explizit als Ziel genannt worden, dass die Kompetenzen entflechtet werden. Besonders deutlich sieht man das an der Ganztagsschule. Das pädagogische Personal ist bei den Gemeinden angestellt, es darf dann zum Beispiel nicht bei den Hausaufgaben helfen. Das wäre aber Teil des Schulkonzeptes. Bei den Finanzausgleichsverhandlungen 2024 hat man gesagt, das Personal kommt von den Gemeinden weg. Ob zum Land oder zum Bund wurde nicht genauer definiert. Das wäre ein Punkt, den man jetzt sofort angehen könnte. Es gibt weitere Beispiele für eine nötige Entflechtung, etwa bei der Krankenanstaltenfinanzierung. Das ist eigentlich eine überregionale Aufgabe, mit der Gemeinden nichts zu tun haben.

Was geschieht, wenn keine Reformen umgesetzt werden?
Mitterer Ohne Reformen müssen die Gemeinden Leistungen reduzieren. In Vorarlberg wird viel Hoffnung auf Kooperationen gesetzt, aber auch da ist das Potenzial endenwollend. Vor allem, weil Kooperationen auch Aufwand bedeuten. Eine Möglichkeit wären Gebietsgemeinden, das ist eine Stufe vor der Fusion. Mehrere Ortsgemeinden schließen sich zusammen. Die Gebietsgemeinde regelt alle regionalen Dinge wie die Raumplanung und die Kinderbetreuung. Die Ortsgemeinden behalten die Kompetenzen, die eine Gemeinde ausmacht, wie Ortsplatzgestaltung und Vereinsförderung.
In Vorarlberg gibt es schon viele Kooperationen. Im Vorderland entsteht gerade das erste regionale Bauamt.
Mitterer Das geht in diese Richtung. Aber man hat viele Kooperationen und Verbände nebeneinander. Das ist auch nur bedingt optimal. Wenn man sie zusammenfasst, wäre das ein Stück effizienter.
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Um positiv abzuschließen: Sie haben Mutmacherbeispiele mitgebracht.
Mitterer Ja, genau. Wir haben in einer Studie kürzlich innovative Konsolidierungsbeispiele gesammelt. Dazu zählen die Verwaltungskooperationen in Vorarlberg. Es gibt auch alternative Organisationsformen, etwa dass ein Verein mit Freiwilligen das Freibad betreut und nicht die Gemeinde selbst. Ein anderes Beispiel ist die Bürgerbeteiligung beim Konsolidierungsprozess. In den Niederlanden hat ein Bürgerrat mitentschieden, wo eingespart wird. Diese Beispiele machen mich ein bisschen optimistischer, dass Gemeinden auch die aktuelle Situation lösen werden.
