Inselferien – „God Jul“ auf Moen

Rügens kleine dänische Schwester lockt um Weihnachten mit viel Ruhe und Natur.
Reise. (VN-G.Schenk) „God Jul“ verheißt das rote Pappherz neben dem großen Christbaum in Stege, „Frohe Weihnachten“. Ein Liedchen trällernd führt ein Weihnachtsmann eine Kinderschar um die Tanne vor dem ehemaligen Rathaus. Minuten vorher hat das 3000-Einwohner-Städtchen seine Festbeleuchtung entlang der Storegade, Steges wichtigster Einkaufsstraße, eingeschaltet. Auf Moen, der kleinen Insel im Südosten Dänemarks, hat der Jahreswechsel begonnen.
„Die kleine Schwester Rügens“ heißt Moen im Jargon der Fremdenverkehrswerber – wegen der vielen weißen Kreidefelsen, die jährlich rund 300.000 Touristen locken. Über sechs Kilometer zieht sich die mehr als hundert Meter hohe Steilküste im Osten der Insel entlang. „Vorsicht Felssturz“, warnen Schilder überall den Besucher. Vor allem im Winter und Frühjahr rauschen immer wieder ganze Hänge in die Ostsee. So wie im Jänner 2007, als sich nach einem großen Bergrutsch am Store Taler im Meer eine neue kleine Halbinsel bildete.
Moens Klint, das große Geocenter, hinter dem eine steile Holztreppe zum Ufer führt, ist jetzt geschlossen. Es ist das populärste Touristenziel auf der Insel, das seine Beliebtheit vor allem dem spektakulären 3D-Film „SeaRex“ verdankt. Jung und Alt zeigt er eindrucksvoll, welche Riesenviecher vor zwei Millionen Jahren in dieser Region unterwegs waren. Doch jetzt zur Jahreswende lohnt es sich nicht, das große Museumsgebäude mit den Modellen gigantischer Urzeitwesen, die von Dänemarks Geburt künden, zu heizen. Nur Naturliebhaber zieht es dieser Tage noch an die steinige Küste zu Füßen der mächtigen Kreidefelsen. Kalkschalen einzelliger Algen aus einem tropischen Meer, das die Gegend hier vor 75 Millionen Jahren bedeckte, haben sie geformt.
Platz zum Verschnaufen
Später schoben Gletscher die Kreideschichten aus dem Wasser und formten die Klippen, die für den Wanderer am schmalen Ufer bei jedem Licht anders erscheinen. Hin und wieder zwingen vom Berg gestürzte Bäume zu kleinen Kletterpartien über Stämme und Äste.
Moen im Winter bietet Platz zum Verschnaufen. Was im Sommer überlaufen ist, zeigt sich zum Jahreswechsel wie ausgestorben. So wie das Lustschlösschen Liselund samt Märchengarten: In Teichen schnattern Enten, ein Pfauenpärchen streift ums Schlosshotel mit seinen teuren Zimmern. Das Schloss selbst gehört inzwischen zum dänischen Nationalmuseum, das von Mai bis Oktober Besucher mehrmals täglich durch die alten herrschaftlichen Gemächer führt.
November bis April ist auf Moen die hohe Zeit der Selbstversorger, schließlich haben ein Großteil der Restaurants und Cafés in den Ausflugs- und Ferienhausregionen der Insel geschlossen. Richtiges Leben regt sich dann nur in Stege. Eine Hebebrücke, neben der sich heute die Touristeninformation in einer alten Zollstation findet, teilt die Stadt. Ein paar Schritte weiter liegt der Hafen, in dem sommers Hunderte von Seglern Station machen. Jetzt aber ist auch er wie ausgestorben.
Dem Gewinn bringenden Fischfang verdanken die Insulaner einige der schönsten Kirchen Dänemarks. Die Gotteshäuser in Fanefjord, Keldby und Elmelunde warten mit europaweit einmaligen Kalkmalereien und Kunstjuwelen des Mittelalters auf. Noch älter sind die Hünengräber, die von der ersten Besiedlung der Region zeugen. Die schönsten liegen ganz im Westen – so wie „Kong Asgers Hoj“, König Asgers Grab. Noch bekannter ist Klekkendehoj, der einzige Doppelkammer-Grabhügel auf der Insel. Das wichtigste Kapital der Insel aber ist auch im Winter die Natur. Die weiten jetzt menschenleeren Strände oder die kleinen Wälder, in denen kein Forstbetrieb holzt, sondern alles so wächst wie es will.
In der Kirche der Inselhauptstadt singt ein Chor dänische Weihnachtslieder. Ruhig und getragen sind sie, nicht laut und hektisch. Es ist, als ob die Zeit hier zwischen den Jahren kurz einmal stehen bleibt, ehe sie ab Ostern wieder losrennt.
Schon früh Nachmittags schleicht sich so auch die Dunkelheit ins Land, senkt sich der Nebel über Felder und Wiesen, wenn ihn Winde oder Regen nicht vertreiben. Spätestens dannt wird es Zeit, im Ferienhaus den Kamin anzumachen . . .