Besuch beim Mann mit der Mütze

Reise / 08.03.2013 • 11:42 Uhr
Besuch beim Mann mit der Mütze

Ein Besuch auf den Färöern, die wieder Österreichs Gegner in der WM-Qualifikation sind.

Reise. (VN-R.Knoller/SRT) Die Färöer sind am 22. März in Wien Gegner der österreichischen Fußballnationalmannschaft – da werden jedes Mal Erinnerungen an die unselige 0:1-Niederlage unter Pepi Hickersberger wach. Denn am 12. September 1990 änderte sich das Leben von Jens Martin Knudsen. Es war der Tag, an dem der Gabelstaplerfahrer zum Volkshelden und zum bekanntesten Einwohner der Färöer Inseln wurde.

Torwart mit der Pudelmütze

Jens Martin Knudsen ist der Torwart mit der Pudelmütze, der beim legendären EM-Qualifikationsspiel zwischen Österreich und den Färöern zwischen den Pfosten stand. Für die Männer von den Schafsinseln war es das erste offizielle internationale Spiel. Erst kurz zuvor waren sie dem Europäischen Fußballverband, der UEFA, beigetreten. Gegen Österreich waren die Hobbyfußballer aus dem Norden nur krasse Außenseiter, und zwischen Wien und Bregenz wurde nur über die Höhe des Siegs diskutiert. Toni Polster, damals Profi beim FC Sevilla, tippte auf einen Zehn-zu-null-Sieg und sein österreichischer Teamkollege Andi Herzog meinte, „wenn wir gut spielen gewinnen wir acht oder zehn zu null, wenn wir schlecht spielen halt nur drei zu null.“

Doch es kam anders. Das Spiel endete eins zu null – aber für die Färöer. Josef Hickersberger, der zuvor die Färöer nach einer Spielbeobachtung als „schlechteste Nationalmannschaft der Welt“ bezeichnet hatte, wurde entlassen und mit dem Spitznamen „Färöer-Pepi“ bedacht. Jens Martin Knudsen hatte maßgeblichen Anteil an dem Sieg. Mit seinen Paraden brachte er die anstürmenden Österreicher zur Verzweiflung. Normalerweise hätten die Färöer damals ein Heimspiel gehabt, doch es gab noch keinen einzigen Rasenplatz auf den Inseln. Geschweige denn ein Stadion, das den Bestimmungen der UEFA genügt hätte.

Spiel damals in Schweden

Deswegen mussten die Färinger ihr Heimspiel auswärts im schwedischen Landskrona austragen. 1265 Zuschauer erlebten dort das denkwürdige Match. Der Weg zu Jens Martin Knudsen führt heute wie damals in die Fischfabrik. Inzwischen arbeitet er aber ein Stockwerk höher – als Gabelstaplerfahrer hat er vor 20 Jahren angefangen, heute ist er Mitinhaber der Fabrik. Streng zieht den Besuchern auf dem Weg zu Knudsens Büro der Geruch von Kabeljau in die Nase. „Hallo, ich bin Jens Martin“, begrüßt mich der ehemalige Nationaltorwart. Mit dem Vornamen sprechen sich auf den Färöern alle an. Da macht auch der inzwischen 45-jährige Knudsen, oder besser Jens Martin, keine Ausnahme. Als ich sein Büro betrete, sitzt er gerade am Computer. Allerdings in einer Kleidung, die man bei einem Manager nicht erwarten würde: Knudsen trägt einen weißen Hausmeisterkittel und auf dem Kopf eine Mütze, ebenfalls weiß. Die Hygienevorschriften der Fischfabrik machen auch fürs Management keine Ausnahme. Ohnehin ist Knudsen ohne Kopfbedeckung nur schwer vorstellbar, denn als „Mann mit Mütze“ ist er berühmt geworden.

Ja, die Sache mit der Mütze, die verfolge ihn sein ganzes Leben, sagt er lachend. „Es gibt kein Interview, in dem ich nicht danach gefragt werde“, fügt er hinzu. Seine legendäre Mütze benutzt er noch heute. Der Zustand der weißen Bommelmütze lasse aber zu wünschen übrig. „Ich musste sie schon an einigen Stellen ausbessern.“ Der Hintergrund der Mütze: Als 13-Jähriger verletzte sich Knudsen bei einem Spiel leicht am Kopf. „Unser Hausarzt und meine Mutter wollten mir das Fußballspielen verbieten“, erinnert er sich. Das sei für ihn ein unvorstellbarer Gedanke gewesen. Um die Mutter zu beruhigen, versprach er bei jedem Spiel eine Mütze zu tragen.

Kein Insel-Star geworden

Durch das Eins-zu-null von Landskrona wurde Knudsen zwar auf einen Schlag zum bekanntesten Färinger, sein Leben hat sich aber nicht verändert. Starruhm verträgt sich nicht mit der kleinen Inselwelt. 99 Prozent der Färinger würden ihn wohl kennen, aber wenn er sich plötzlich wie ein Star verhielte, würde man ihn nur auslachen, sagt er. „Hier“, fügt er hinzu, „sind wir alle gleich.“ Auch deswegen saß Knudsen schon drei Tage nach dem Sieg gegen Österreich wieder auf dem Fahrersitz …