Wandern mit Genuss und Komfort

Eine Trekking-Tour durch den Mercantour-Nationalpark im Hinterland von Nizza.
reise. (srt-Egmont Strigl) Zwei Stunden Fahrt mit der Pinienbahn und der mediterrane Trubel der sommerlichen Touristenmetropole Nizza ist vergessen. Weit weg sind plötzlich die quirlige Promenade des Anglais, das Gedränge in den Gassen der Altstadt und die Staus entlang der Côte dAzur. Ruhe und Stille kehren ein, kaum dass die letzten Vororte von Nizza hinter uns liegen. Mit gleichmäßigem Rattern windet sich die kleine Bahn durch das immer enger werdende Tal des Var. Aus Hügeln werden allmählich Berge, aus der klassischen Landschaft der Provence wird ein sattgrünes, von Wiesen und Wäldern geprägtes Voralpenland. Es ist ein stilles, dünn besiedeltes Land, in das uns die Pinienbahn entlässt, indem sie auf offener Strecke am Beginn eines Wanderweges hält.
Ein wenig verwirrt über diese ungewöhnliche Haltestelle stehen wir auf den Gleisen, doch schon bald sind wir auf einem Pfad unterwegs nach Norden. Die Sonne brennt auf die Schultern, es duftet nach Pinien und Rosmarin, und in den Ohren klingen Zikaden. Wir steigen hinauf nach Peyresque, unserer ersten Station einer einwöchigen Wanderung durch die wenig begangenen Berge der Haute-Provence und des westlichen Mercantour-Nationalparks, in dem die französische Forstbehörde ONF ein wunderbares Projekt ins Leben gerufen hat, das man sich auch für andere Bergregionen wünschen würde (Kasten oben). Übernachtet wird auf diesen Wandertouren in Forsthäusern, die jede Wandergruppe ganz für sich hat, und die ausgezeichneten Komfort bieten. Wichtigster Mann ist jedoch der Logistiker, der die Trekker mit dem Auto begleitet, das Hauptgepäck transportiert und unten in den Tälern das allabendliche dreigängige Essen besorgt, das von Restaurants oder Gasthöfen aus lokalen Produkten gekocht wird. So bleibt uns all die Logistik erspart und wir können uns mit Herz und Seele auf die Genüsse des Naturerlebnisses im Nationalpark konzentrieren. Die leiblichen Genüsse sind allerdings nur ein kleiner Aspekt dieser wunderbaren Art des Reisens. Auf traumhaften Panoramawegen queren wir blumenübersäte Bergwiesen, machen Rast an kleinen Schäferhütten und begegnen großen Schafherden, die im Rahmen der Transhumanz, jahreszeitlich bedingten Wanderbewegungen, in die Berge getrieben werden. Sie sind sowohl Landschaftspfleger als auch Lieferanten leckerer lokaler Produkte wie Käse, Milch und Fleisch. Bewacht werden die Herden von riesigen weißen Hütehunden.
Wunderbare Aussicht
Wir hingegen wandern auf den meist baumfreien Hochflächen mit fantastischen Aussichten hinauf zum 2472 Meter hohen Col du Détroit, besteigen einen kleinen Gipfel und laufen dann hinab in die bizarre Karstlandschaft rund um den herrlich gelegenen Lac de Lignin. Ein schöner Mittagsplatz, bevor wir am tiefen Canyon der Lance entlang unser nächster Forsthaus La Fruchière ansteuern. Wie jeden Nachmittag ist es eine Freude zur Hütte zu kommen, wo uns Logistiker Marc mit kaltem Bier, Panache und Fruchtsäften begrüßt, bevor wir die gemütlichen Zimmer beziehen, eine heiße Dusche genießen und uns auf ein leckeres Menü freuen. Auf diese überaus angenehme Weise vergehen die Tage wie im Flug. Man bewegt sich an frischer Luft, lockert Muskeln und Sinne, läuft mit Vergnügen auf stillen Wegen durch die von Sonnenlicht durchfluteten Lärchenwälder, steigt auf schmalen Steigen durch wilde Felsszenarien und über blumenübersäten Hochweiden oberhalb der Baumgrenze. Es geht hinab in einsame Täler, wieder hinauf zu spektakulären Wandfluchten und entlang aussichtsreicher Höhenwege. Wir sind fast alleine unterwegs, denn die Berge des Mercantour-Nationalparks sind wenig erschlossen. Sie sind das Reich der Schafe, Gänsegeier, Steinböcke und Wölfe. Menschen machen sich rar und werden erst wieder zahlreicher, als wir den 2639 Meter hohen Col de la Petite Cayolle überschreiten und zum Lac d‘Allos hinabsteigen. Ein perfekter Schlusspunkt für eine Wanderwoche vielfältiger Genüsse. Gutes Essen, gemütliche Unterkünfte und großartige sechs bis achtstündige Tageswanderungen durch einsame Hochgebirgslandschaften.