Vintage, Delikatessen und Kultur

Zu Besuch bei Freunden in London lernt man die Stadt auf sehr individuelle Weise kennen.
reise. (srt/Franz Michael Rohm) „Wir haben jetzt ein Gästebett, kommt endlich“, mailte Sabrina, die seit drei Jahren mit Neil in London lebt. Unsere Freunde wohnen in Hammersmith, elf Stationen von Heathrow, sieben vom Stadtzentrum entfernt. Bevor die Bevölkerungszahl explodierte, war Hammersmith ein ruhiger Vorort mit zweistöckigen Backsteinhäusern. Brauereien und Kleingewerbe bestimmten das Stadtbild, am Wochenende gingen die Londoner an der Themse spazieren und frequentierten die zahlreichen Pubs. Heute fräst sich die vierspurige A 4, die weiter westlich zur Autobahn M 4 wird, durch die Häuserreihen. Nicht weit entfernt von der U-Bahn-Station wölbt sich die Art-Deco-Fassade des legendären Hammersmith Apollo-Theaters in den frühen Morgen. Es hat unglaubliche 5000 Stehplätze und rund 3500 Sitzplätze. David Bowie hatte hier 1973 seinen letzten Auftritt als Ziggy Stardust, Superbands von AC/DC bis Bruce Springsteen sind aufgetreten. Die Wohnung von Sabrina und Neil ist gemütlich, die Miete ist unglaublich. 1600 Pfund für 72 Quadratmeter. Ein kurzer Überschlag lässt uns den Atem stocken: Mehr als 30 Euro pro Quadratmeter! Über Geld werden wir die nächsten Tage noch häufiger reden. Weil Londoner viel über Geld reden.
Da wir Hunger haben, geht es gleich mit der Underground in die Innenstadt. Auf dem Weg zum Borough Market, dem größten Fressmarkt der Stadt in Southwark, steigen wir in der Station Embankment um. Ohne die Ortskenntnisse der Freunde würden wir wie Hunderte Touristen mit starrem Blick aufs Smartphone versuchen, die richtige Rolltreppe zu erwischen. Die meisten haben dasselbe Ziel wie wir, die Schlemmerstände unter der grünen, stählernen Dachkonstruktion. 1014 wurde der Borough Market erstmals erwähnt, letztes Jahr feierten die Händler das große Jubiläum. Zweieinhalb Stunden baden wir in appetitanregenden Gerüchen aus aller Welt und probieren uns durch. Smoothies in allen Farben, krachsüße arabische Backwaren, heißer Gewürz-Cider, englische Wurstwaren, spanischer Schinken, jamaikanische Gerichte, lactosefreie Pilzsuppe, iranische Küche, koschere Speisen und und und. Nach diesen weltlichen Genüssen geht es nebenan in die gotische Southwark Cathedral. Wir genießen die Ruhe, bewundern kunstvolle Glasfenster aus dem 13. Jahrhundert und die Grabplatte des Bruders von William Shakespeare. Vom Kirchhof hat man einen guten Blick auf Londons Wolkenkratzerattraktion „The Shard“.