Eine Stadt im nächsten Umbruch

mangelt, einzukehren. Im Zentrum reiht sich ein Wirtsaus, ein Terrassencafé und eine Bar an die andere. Ladengeschäfte bilden eher die Ausnahme. Tempo und Qualität des Services variieren auf einer Skala von 1 bis 10. Die eine hat den Dienstleistungsgedanken verinnerlicht, dem anderen steckt noch das Ostblocksyndrom in den Knochen. Alles ist möglich. Außerdem: Weder am Habitus noch am Alter ist abzulesen, ob man bei einem Einwohner besser mit Englisch (meist) oder Deutsch (durchaus) landet. Zufall. Ein Busfahrer konnte uns erstaunlicherweise gar „nur“ auf Französisch weiterhelfen.
Zurück zum Bild der Stadt. Natürlich gibt es den Plattenbau. Er dominiert sogar weite Teile der Südstadt und war unvermeidlich. Es galt eine zu 68 Prozent durch den Krieg zerstörte Stadt wieder aufzubauen. Soweit unterscheidet sich Wroclaw nicht von vielen anderen Städten. Doch nirgendwo sonst wurde eine in die Hunderttausende gehende Einwohnerschaft innerhalb kürzester Zeit fast komplett ausgetauscht. Polen aus anderen Gebieten wurden hierher umgesiedelt, sie kamen zum großen Teil aus Lemberg, das 1945 sowjetisch wurde (heute Lwiw in der Ukraine), die Deutschen wurden vertrieben. Breslau war eine Nazi-Hochburg und Hitler hatte die Stadt zur „Festung“ gegen die anrückenden Russen erklärt. Tatsächlich fiel die Stadt erst Tage nach Berlin, als der Weltkrieg längst entschieden war.
Erst seit ein, zwei Jahrzehnten ist der deutsche Name der Stadt wieder gelitten. Zeichen des nächsten Umbruchs, nach Kaltem Krieg und EU-Beitritt – zögerlich stehen die heutigen Bewohner auch zum deutschen Anteil am kulturellen Erbe.
Wie schon erwähnt: Wroclaw ist keine typisch polnische Stadt.

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