
„Radurlauber lieben die 1939 durch die tiefen Wälder gebaute Militärstraße, weil rundherum Sümpfe sind“, schwärmt er und rät für die Sommermonate zum Mückenschutz. Begonnen habe der Tourismus auf Hiiumaa in der ehemaligen Schule, wo Gäste übernachten konnten, erläutert der Historiker. Später habe die Rote Armee das Gebäude als Hauptquartier genutzt. Im Zweiten Weltkrieg war die Insel zwischen Sowjet- und Wehrmachtssoldaten erbittert umkämpft. Scheinbar im Nichts führt die Natur- und Militärwanderung auf einen von Kiefern umstandenen Platz. „Das war der Paradeplatz der Roten Armee“, verrät Selirand, der die Wand mit der roten Karte der Sowjetunion und der Aufschrift „CCCP“ gerade ein viertes Mal restauriert hat. Keine 100 Meter entfernt markiert ein roter Sowjetstern unter Bäumen den Eingang eines Tunnels zum Kommandobunker. „Hiiumaa-Katakomben“ nennen die Einheimischen dessen 37 Kammern, die der Historiker akribisch kartiert hat. Die Sowjets unterhielten hier bis zur Unabhängigkeit Estlands eine Radarstation und eine von drei gigantischen Geschützstellungen auf dem Gebiet der kleinen Baltenrepublik. „Sie haben allerdings kein Schiff versenkt, weil die Deutschen wussten, dass es hier von Küstenbatterien wimmelt“, grinst der Historiker.
Besichtigung des Bunkers
Unter drei Meter dicken Stahlbetonmauern ist es unheimlich und eng. Inständig hofft der Verteidigungsliga-Kommandant, „dass wir die Stellungen nicht mehr brauchen“. Eine Leiter führt hinab in die Kommandozentrale. Die technische Ausrüstung, darunter ein Periskop zum Überprüfen der Geschützwirkung, haben die Russen beim Abzug demontiert. Vieles ist jedes Jahr von Mitte Mai bis Mitte September aber auch im Militärhistorischen Museum Hiiumaa zu sehen, das Selirand in der ehemaligen Marineradarstation initiiert hat. Licht in das Dunkel des Bunkers bringt ein Bild, das ein lettischer Soldat an die Wand gemalt hat. Es zeigt den Leuchtturm von Tahkuna im Sonnenschein. Bei Schnee diene die 13 Meter hohe Bunkerdüne den Inselkindern als Rodelbahn. „Im Herbst können Sie hier Blaubeeren und Pilze sammeln“, schaltet Selirand flott von Militär- auf Naturwanderung um. srt/Christian Boergen