Lost Places im Wüstensand

Reise / 10.12.2021 • 10:52 Uhr
Lost Places im Wüstensand

Namibia plant die touristische Öffnung seines Diamantensperrgebiets, das seit mehr als 100 Jahren besteht.

Mittags kommt der Wind. Keine kühlende Brise, die sanft übers Gesicht streicht. Kein laues Lüftchen, das hin und wieder etwas Staub aufwirbelt. Der Wind in Kolmanskuppe ist ein stetiger Quälgeist: Er pfeift durch die glaslosen Fensterrahmen, er summt in den Ecken und Winkeln der leerstehenden Häuser. Und er bringt frischen Wüstensand mit. Während man anderswo Sonnentage zählt, sind es hier „Sandtage“: mehr als 200 im Jahr. Nach einer halben Stunde hat man ihn in allen Taschen, das Laufen in den sandgefüllten Schuhen fällt schwer, und die Kamera fängt an zu streiken. Der Sand knirscht zwischen den Zähnen, verstopft die Nase und reibt wie Schmirgelpapier auf der Haut. Über die Jahrzehnte hat er jeden Quadratzentimeter im Ort besetzt: Er bildet einen Teppich in Hallen und Gängen und verstopft die Zimmer im Erdgeschoss. Manche Räume sind bis zur Decke gefüllt, in anderen haben sich kleine Dünen gebildet, deren jungfräuliche Oberfläche jeden Morgen aufs Neue von den Füßen der Besucher zerwühlt wird. Wo Treppen sind, hat er die unteren Stufen erobert, um sich jedes Jahr ein Stück weiter nach oben zu schieben. Jeder Tag ist wie der nächste in der Geisterstadt Kolmanskuppe bei Lüderitz im Südwesten Namibias. Der Lost Place gehört zu den beliebtesten Attraktionen im Land, und ist einer von wenigen besuchbaren Orten im streng abgeriegelten Diamantensperrgebiet, das auf die deutsche Kolonialzeit zurückgeht.

Öffnung ist absehbar

Bislang durfte kaum jemand in das Gebiet eintauchen, weil die Bergbaugesellschaft Namdeb dort schürfte, trotz Gründung des Tsau Khaeb-Sperrgebiet-Nationalparks. Doch nun rückt die Öffnung in greifbare Nähe: Die Regierung hat touristische Konzessionen ausgeschrieben, mittelfristig sollen Reiseveranstalter in fünf Regionen vielfältige Aktivitäten anbieten: geführte Touren, Geländewagensafaris, Quadbiken, Wanderungen, Wassersport und Angeltouren. Erstmals soll man auch den Roten Kamm besuchen dürfen, den Einschlagskrater eines Meteoriten. Bis es soweit ist, müssen Reisende sich noch mit ausgewählten Ghost Towns begnügen. Wer war so verrückt, in dieser lebensfeindlichen Umgebung eine Stadt zu gründen,