Sardiniens verborgene Schätze

Die Mittelmeerinsel kann so viel mehr als nur Strand und Sonne. Ein Ausflug in die Region Barbagia im Landesinneren lohnt sich in vielerlei Hinsicht.
Sardinien, das ist für viele der Inbegriff von schneeweißen Stränden und türkisfarbenem Wasser. Doch das Zentrum der Mittelmeerinsel, insbesondere die Region Barbagia, birgt eine Ursprünglichkeit, die mit den Vorteilen der Küstenregionen durchaus konkurrieren kann. „Wir sind die Bewahrer der Traditionen“, bringt es Reiseführerin Camilla Mameli auf den Punkt. Schließlich handelt es sich bei Barbagia mit der Hauptstadt Nuoro um die älteste Region Sardiniens und gleichzeitig um eine der weltweiten „Blauen Zonen“, in denen Menschen besonders alt werden. „Seit das bekannt ist, kommen immer öfter Forscher hierher“, erzählt Camilla, die in Nuoro aufgewachsen ist und nach einiger Zeit im Ausland wieder zurück auf die Insel kam. Seither bringt sie Besuchern die Schönheit Sardiniens näher. Warum die Menschen hier so alt werden, ist nicht vollständig erforscht, doch als Faktoren gelten ein stressfreies Leben, frisch zubereitetes Essen, die Verbundenheit zur Natur und das soziale Miteinander im Alter.
Wächter über die Landschaft
Dass es hier im Landesinneren stressfrei zugeht, kann auch Carlo Menneas bestätigen. Der 51-Jährige sitzt mit seinem Fernglas auf der Sonnenbank vor seinem Versorgungshäuschen auf dem Gipfel des Monte Novo San Giovanni. Alle zwei Tage kommt er hier rauf, um Ausschau nach Feuern in der Umgebung zu halten und im Ernstfall die Einsatzkräfte zu rufen. Ob ihm dabei nicht langweilig wird? „Nein“, lächelt der sympathische, aber zurückhaltende Sarde. „Schließlich treffe ich hier oben ständig Wanderer, mit denen ich mich unterhalten kann. Außerdem besuchen mich regelmäßig Mufflons, Adler oder Füchse.“ Während er uns aus seinem Leben erzählt, versorgt Carlo uns mit frisch gebrühtem Kaffee und Kuchen. Die Wände des kleinen Holzverschlags sind voller Inschriften, die Wanderer hier hinterlassen haben. Über dem Fenster prangt in großen Buchstaben der Satz „Sardegna no est Italia“. Sardinien ist nicht Italien – ein Spruch, der uns auf diversen Hauswänden der Insel öfter unterkommt. Schließlich haben die Sarden ihre eigene Sprache, sind stolz, stark, naturverbunden, aber oft auch zurückhaltend. So auch Carlos. Wir winken ihm ein letztes Mal, bevor wir den Berg wieder verlassen und mit dem kultigen Defender über Stock und Stein zurück nach Nuoro fahren. Über viele Kilometer gibt es hier nichts außer wild lebende Kühe, Schafe, Pferde oder Schweine, die immer wieder gemütlich die Straße queren und zwischen den grünen Steineichen im braunen Gras nach Fressen suchen. „Fünf Monate hat es nicht mehr geregnet, aber wer im Frühjahr kommt, wird hier eine Landschaft vorfinden, die der in Irland ähnelt“, erzählt Camilla, die geschickt das Fahrzeug lenkt und gelegentlich stehen bleibt, damit wir Fotos schießen können.
Von Innereien und Käse mit Maden
Zurück in Nuoro tauchen wir in die kulinarische Welt der Region ein. Das „nose to tail“-Prinzip ist hier kein neuer Trend sondern wird seit jeher so gelebt. Ganz zimperlich darf man beim Essen im gemütlichen Restaurant „Il Rifugio“ allerdings nicht sein. Wer sich trotzdem traut, alles zu probieren, wird belohnt. Auf der Speisekarte stehen zur Vorspeise Fleischbällchen und Prosciutto vom Schaf mit Pecorino und Honig, frisch gebackenes und hauchdünnes Brot, genannt Pane Carasau, und schließlich der für die Region typische Cordula, ein gegrillter, sardischer Spieß aus Innereien. Weiter geht es mit