Unterwegs mit den Flugrettern: Wenn jede Minute zählt

VN / 16.10.2025 • 07:00 Uhr
Unterwegs mit den Flugrettern: Wenn jede Minute zählt
V. l.: Pilot Dieter Mark, Notärztin Martina Jochum und Flugretter Elija Stark helfen Menschen in Not. Bilder: VN/JUN

Pilot, Notärztin und Flugretter im Dienst: Ein Blick hinter die Kulissen der Flugrettung Vorarlberg.

Nenzing – Um 7 Uhr beginnt ihr 12-Stunden-Dienst: Pilot Dieter Mark, Notärztin Martina Jochum und Flugretter Elija Stark bilden an diesem Freitag das Dreiergespann, das mit dem Hubschrauber Christophorus 8 dann ausrückt, wenn die Zeit drängt. Bereits um 6.30 Uhr treffen sie sich am Stützpunkt der Flugrettung Vorarlberg in Nenzing, denn die Ausrüstung muss vor Dienstbeginn gecheckt werden. „Es gibt eine strenge Packordnung“, erklärt Martina. Alle Utensilien, die in den Beatmungs- und Notfallrucksack gehören, muss Martina auf ihrer Checkliste abhaken.

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Noch vor Dienstbeginn checkt Martina den Beatmungsrucksack und den Notfallrucksack auf ihre Vollständigkeit.
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Auch die Apparaturen im Hubschrauber werden auf ihre Funktionstüchtigkeit geprüft.

Erst nachdem alles überprüft und in den Hubschrauber gestellt wurde, meldet sich Dieter Mark bei der Leitstelle einsatzbereit. Um 7.15 Uhr wird – wenn kein Einsatz ist – gemeinsam gefrühstückt: Brötchen, frisch gekochte Eier, Bergkäse, selbst gemachte Marmelade. Man fühlt sich wie zu Hause. „Wir wohnen hier“, sagt Martina (46). Tatsächlich erinnert der Stützpunkt eher an eine Ferienwohnung – mit einem Wohn- und Esszimmer, einer Küche und Schlafzimmern. Sie dürfen den Stützpunkt nicht verlassen, denn wenn der Pager piepst, müssen sie innerhalb von drei Minuten in der Luft und innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort sein.

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Dieter Mark (l.) und Elija Stark sitzen im Cockpit.
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Am Morgen wird der Hubschrauber fertig beladen, sodass er einsatzbereit ist.

„Wir werden dann gerufen, wenn wir schneller sind als der Rettungswagen“, erklärt die Nenzingerin, die regulär als Anästhesistin im LKH Feldkirch arbeitet. Zwischen null und sieben Einsätze haben die Flugretter am Tag. Ihre Schicht dauert immer von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Beim Frühstück teilt Dieter (48) die Wetterprognose für den Tag sowie aktuelle Flugbeschränkungen mit. Bei Gewitter und dichtem Nebel fliegt der Pilot nicht, doch bei Sturm probiert er es. „Dass ich einen Einsatz absage, kommt äußerst selten vor.“ An diesem Freitag ist gutes Flugwetter.

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Pilot und Flugretter checken aktuelle Flugbeschränkungen und können am Bildschirm ablesen, wo die anderen Rettungshubschrauber im Einsatz sind.
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7.15 Uhr: Zeit für das Frühstück.

Erster Einsatz

Am Vormittag der erste Einsatz: Am Rheinufer stürzte eine ältere Dame beim Spielen mit ihrem Hund. Sie klagte über Schmerzen in der rechten Schulter und Hüfte – Verdacht auf Oberschenkelhalsbruch. Nach Erstversorgung durch die bereits anwesenden Rettungssanitäter übernimmt Notärztin Martina und verabreicht ihr ein starkes Schmerzmittel. Anschließend wird die Seniorin ins Spital geflogen – mit dem Hubschrauber nur zwei Minuten entfernt. Gegen Mittag ist die Besatzung wieder zurück. Zeit für das Mittagessen, das Martina aus der Gefriertruhe nimmt und zum Erwärmen in den Ofen stellt. Währenddessen tönt der Pager erneut.

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Auf geht es zum ersten Einsatz.
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Eine Frau klagt über starke Schmerzen und muss notärztlich versorgt werden.
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Die Dame wid ins nächstgelegene Krankenhaus geflogen.
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Da sie den Stützpunkt nie verlassen dürfen, gibt es Mittagessen aus der Gefriertruhe. Die Auswahl ist groß und sogar an Vor- und Nachspeise wurde gedacht.

Zweiter Einsatz

Dieses Mal geht es in den Bregenzerwald: Ein Mann wurde bei Waldarbeiten von einer Tanne getroffen und rund drei Meter weggeschleudert. Erst später, als er Schmerzen im Oberkörper spürte, fuhr er zur Hausärztin, die gleich den Hubschrauber bestellte. Denn bei einer Thoraxverletzung ist die Gefahr einer inneren Blutung groß. Während des Flugs behält Martina den Patienten über den Monitor im Blick. Sie kontrolliert EKG, Blutdruck und Sauerstoffsättigung. Kurzzeitig fällt der Puls ab, doch im Schockraum zeigt sich: Der Patient hat nur Rippenbrüche, keine inneren Verletzungen. Nach einer Stunde und 15 Minuten sind sie wieder zurück am Stützpunkt – was für einen solchen Einsatz normal sei. Jetzt ist endlich genug Zeit, um das Mittagessen nachzuholen.

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Der zweite Einsatz führt zu einer Hausarztpraxis im Bregenzerwald.
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Der Patient wird direkt in den Schockraum gebracht.

Dritter Einsatz

Am Nachmittag folgt der dritte Alarm: Ein Radfahrer ohne Helm ist im Dornbirner Firstgebiet gestürzt – Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma. Elija (27) beobachtet sowohl den Luftraum als auch das Gelände. „Da ist eine Materialseilbahn“, meldet Elija dem Piloten. Da sie den genauen Ort nicht kennen, halten sie Ausschau – und entdecken schließlich eine winkende Person. Eine Landung im Bachbett ist aber nicht möglich, also setzt der Hubschrauber nur vorn mit der Kufe auf, damit Notärztin Martina zur Erstversorgung aussteigen kann. Auf einer Wiese landet Dieter sicher und bereitet mit Elija die Taubergung vor – die Königsdisziplin eines Piloten.

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Beim dritten Einsatz ist eine Taubergung nötig.
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Dafür muss der Hubschrauber zwischenlanden.

Mit 22 Flugjahren bringt Dieter, der seit sieben Jahren für den ÖAMTC fliegt, viel Erfahrung mit. Elija, Bergretter aus Fontanella, befestigt das 30-Meter-Seil unter dem Hubschrauber. Dann geht es wieder zum Patienten, der am Tau geborgen wird. Mit einer Gehirnerschütterung wird er ins Krankenhaus geflogen.

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Auch die Bergrettung ist gekommen, doch da war der Patient mit dem Hubschrauber C8 schon geborgen.
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Dieter Mark muss das Seil einziehen, damit sich der Hubschrauber am Abheben darin nicht verheddern kann.
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Der Patient muss in den Hubschrauber umgelegt werden.
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Nachdem das Seil verstaut ist, kann der Hubschrauber wieder abheben.

Um 19.28 Uhr ist ihre Schicht beendet. Für Dieter, der in Thüringen wohnt, geht es am nächsten Tag weiter, denn er ist sieben Tage am Stück als Pilot für den ÖAMTC im Einsatz. Notarzt und Flugretter, die von der Bergrettung gestellt werden, wechseln sich dagegen ab. Die Einsätze sind vielfältig. Keiner von ihnen weiß am Morgen, was auf sie zukommen wird und wohin sie wohl fliegen werden.

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Nach einem Einsatz wird der Hubschrauber betankt und wieder einsatzfähig gemacht.

Die Flugrettung Vorarlberg

Die Flugrettung in Vorarlberg wird im Auftrag des Landes von der Bergrettung Vorarlberg betrieben. Sie ist die zuständige Einsatzorganisation und koordiniert alle Flugrettungseinsätze im Land. Für den operativen Flugbetrieb arbeitet die Bergrettung mit erfahrenen Partnern zusammen: In Nenzing steht in Kooperation mit der ÖAMTC-Flugrettung der Notarzthubschrauber Christophorus 8 bereit. In Zürs wird in Kooperation mit Wucher Helikopter der Rettungshubschrauber Gallus 1 eingesetzt. Die Partner stellen jeweils Fluggerät und Piloten, während die Bergrettung Vorarlberg die medizinische und einsatztechnische Besatzung – also Notarzt und Flugretter – stellt und die gesamte Einsatzkoordination verantwortet.