Vorgestrige Amerikaner
Dass der Wahlsieg des US-Präsidenten offen ist, lässt Europäer rätseln: Was geht in den Amerikanern vor, die am modernen, weltoffenen und vor allem sozial engagierten Barack Obama zweifeln? Warum rennen viele einem altbackenen Scharfmacher namens Mitt Romney hinterher, der Reiche entlasten und militärisch aufrüsten möchte?
Amerikaner sind uns fremd. Weil sie ganz anders ticken: Ein starker Staat mit einem ordentlichen Gesundheits-, Bildungs- und Pensionssystem ist vielen ein Gräuel bzw. „Sozialismus“ pur, weil das bedeutet, dass der Einzelne fürs Gemeinwohl zahlen muss. Stattdessen meinen sie, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. Für die Aussicht, dass es mit genügend Fleiß zumindest theoretisch alle ungehindert zum Milliardär bringen können, nehmen sie gerne in Kauf, dass auch ein Absturz in bittere Armut möglich ist. Daneben glauben sie, dass sie noch immer die alleinige Weltmacht sind und es auch bleiben müssen.
Dieses Amerika wird von Romney verkörpert. Daher liegt er in Umfragen so gut. Obamas Chance besteht jedoch darin, dass immer mehr US-Bürger zur Vernunft kommen und erkennen, dass die goldenen Zeiten vorbei sind: Die USA verlieren im internationalen Wettbewerb in fast allen Bereichen kontinuierlich. Nur noch wenige können Karriere machen, die Masse verarmt. In diesem Sinne können nur noch Vorgestrige Romney wählen.
johannes.huber@vn.vol.at, 01/3 17 78 34-10
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