Wer braucht schon Fakten
Peter Pilz ist ein Zyniker. Glaubt man ihm, ist das Motto des Bundesheers: Alles grüßen, was sich bewegt, und alles putzen, was sich nicht bewegt.“ Und als im VN-Interview Mitte der Woche Pilz die Frage gestellt wurde, warum er denn morgen gegen die Wehrpflicht stimmen werde, sagte der Grünen-Nationalrat: „Weil mir gesicherte Hinweise vorliegen, dass Liechtenstein Österreich nicht angreifen wird.“ Nun, man kann die Volksbefragung durchaus mit dem Pilz’schen Humor sehen. Man kann sich aber auch darüber ärgern, dass SPÖ und ÖVP ein für Österreich essenzielles Thema missbrauchen, indem sie nur am Vorteil für die eigene Partei, nicht aber am Schicksal des Bundesheers interessiert sind.
Oder glaubt wirklich ernsthaft jemand, dass der SPÖ das Berufsheer und der ÖVP die Wehrpflicht ein Anliegen sind? Ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt, dass diese Frage rein rhetorisch ist. Für Verteidigungsminister Norbert Darabos – den Zivildiener an der Spitze des Heeres – war die Wehrpflicht im Oktober 2010 noch in Stein gemeißelt. In der schwarz-blauen Regierungserklärung 2000 wurde wiederum einem Berufsheer das Wort geredet. Und heute verteidigen die Schwarzen die Wehrpflicht und propagieren die Roten deren Ende. Als wäre dies immer schon so gewesen. Vor allem Darabos’ Wende ist Opportunismus in Reinkultur. Man könne niemanden daran hindern, gescheiter zu werden, verteidigte sich der Minister zuletzt – sein Sinneswandel sei „aufgrund von Fakten“ erfolgt.
Nun mag es ja ein Trost sein, dass auch Minister in kurzer Zeit gescheiter werden können. Aber anhand von Fakten kann sich Darabos nicht neu orientiert haben. Denn die fehlen – sowohl seinem als auch Spindeleggers Modell. Beiden Systemen fehlen grundsätzliche Überlegungen. Zuerst gehörten doch einmal die sicherheitspolitischen Anforderungen definiert. Und konkrete Berechnungen zur Finanzierbarkeit beider Systeme auf den Tisch. Es ist doch ein Nonsens, einem Berufsheer ohne solide Basis das Wort zu reden – genauso wie es ein Nonsens ist, die Wehrpflicht zu verteidigen, ohne gleichzeitig passende Heeres-Reformvorschläge zu präsentieren. Derzeit werden junge Männer gezwungen, sechs Monate ihres Lebens zu vergeuden.
Von den Befürwortern der Wehrpflicht wird das Bundesheer allein auf den Katastrophenschutz reduziert. Doch im Kampf gegen Hochwasser und Lawinenabgänge braucht man kein Gewehr. Da reicht eine Schaufel. Und wenn hierzulande etwa ständig an die Hochwasserkatastrophe 2005 erinnert wird, von der zwei Drittel aller Gemeinden betroffen waren, dann hätten die hiesigen Wehrpflichtbefürworter dem Vizekanzler doch gleich auch ein Versprechen abringen können – dass in Vorarlberg künftig ein Bundesheerhubschrauber fix stationiert wird. Derzeit muss Vorarlberg im Verteidigungsministerium betteln gehen, wenn hierzulande ein Hubschrauber benötigt wird.
Im Endeffekt delegieren die Regierungsparteien der Bevölkerung eine hochkomplexe Fragestellung, ohne entsprechende Informationen mitzuliefern. Und pervertieren damit die direkte Demokratie. Auch das ist Österreich.
andreas.duenser@vn.vol.at, 05572/501-327