Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Großer Schritt für die Kirche

Spezial / 11.02.2013 • 22:11 Uhr

Der Papst tritt zurück. Wie historisch diese Nachricht ist, lässt sich daran erkennen, dass es das in der rund zweitausendjährigen Geschichte der Katholischen Kirche erst einmal gegeben hat. 1294 schied Coelestin V. aus freien Stücken aus dem Amt aus. Mehr als 700 Jahre später hat sich das nun wiederholt. Benedikt XVI. geht in Pension.

Wie unvorstellbar dieser Schritt bisher gewesen ist, lässt sich wiederum daran ermessen, dass Johannes Paul II. nicht im Entferntesten daran gedacht hatte, sein Amt aufzugeben: Für ihn war klar, dass es ihm von Gott geschenkt ist, dass ihn also nur dieser abberufen kann. Folglich blieb er jahrelang krank und gebrechlich bis zu seinem Tod im April 2005 Kirchenoberhaupt.

Diese Vorgeschichte macht nachvollziehbar, wie schwer es Benedikt XVI. gefallen sein muss, zurückzutreten. Dafür, dass er sich dazu durchgerungen hat, gebührt ihm entsprechend großer Respekt. Zumal er in seinen erläuternden Worten zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich nicht mehr in der Lage sieht, der Kirche die kraftvolle Führung zu geben, die sie in den heutigen Zeiten braucht. Das ist auch eine Botschaft für die Kür seines Nachfolgers; die Kardinäle sollen nicht irgendjemanden wählen, sondern einen entschlossenen Mann.

Das hat die Kirche bitter nötig. Benedikt XVI. ist nur widerwillig Papst geworden. Das Fallbeil sei auf ihn niedergefallen, erinnerte er sich an seine Wahl. Eigentlich hatte er sich schon damals, 2005, zur Ruhe setzen wollen. Sein Amt führt er seither vor allem als großer Gelehrter, der er seit Jahrzehnten ist. In Diskussionen über theologische Fragen kann kaum jemand mit ihm mithalten. Das ist eine Stärke – und gleichzeitig eine Schwäche: Benedikt XVI. ist ein unnahbarer Theoretiker, der die Massen nur selten begeistert; er schreibt Bücher, kann damit aber Millionen jüngere und ältere Menschen mit ihren Problemen, Zweifeln und Glaubensfragen nicht erreichen. Ihnen ist die Kirche auch dadurch ein Stück weit fremd geworden.

Was es braucht, hat der Mailänder Kardinal Carlo Martini kurz vor seinem Tod im vergangenen Sommer zum Ausdruck gebracht: „Die Kirche ist 200 Jahre stehen geblieben.“ Sie müsse sich zu ihren Fehlern bekennen „und einen radikalen Weg der Veränderung gehen“.

Aufgabe des nächsten Papstes wird es in diesem Sinne nicht sein, die Kirche irgendwie modern und beliebig zu machen, sondern zu öffnen. Damit sie die Fragen, die die Menschen bewegen, erkennt und gemeinsam mit ihnen beantworten kann. Erst dann hat sie wieder einen Platz in der Mitte der Gesellschaft.

johannes.huber@vn.vol.at, 01/3 17 78 34-10