Ab heute wird der Papst gewählt

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115 Kardinäle suchen Mann „für nahezu übermenschliche Anforderungen“.
Rom. (VN-tm) 117 sind wahlberechtigt, 115 Kardinäle aus aller Welt werden heute um 16.30 Uhr in feierlicher Prozession in roter liturgischer Kleidung in die Sixtinische Kapelle einziehen. 0,00001 Prozent der beinah 1,2 Milliarden Katholiken weltweit entscheiden sodann, wer künftig das „Volk Gottes“ führen soll.
Wieder und wieder werden sie einzeln vor die Wahlurne treten und mit Blick auf Michelangelos großartiges Gemälde vom Jüngsten Gericht ihre Stimme abgeben. Sie tun es mit erhobener Hand und sprechen dazu die Worte: „Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden soll.“
Erster Rauch um 20 Uhr
Der erste Urnengang wird heute, Dienstagabend, stattfinden. Er gilt als Testwahl, eine Entscheidung auf Anhieb als höchst unwahrscheinlich. Gegen 20 Uhr also wird erstmals schwarzer Rauch aufsteigen aus dem kupfernen Rauchfang der sixtinischen Kapelle als Zeichen dafür, dass die Herren Kardinäle sich nicht einig wurden.
Immerhin, die Favoriten werden feststehen, wenn die Kardinäle sich an die runden Tische ihres Speisesaals zum Abendessen setzen: Ist Odilo Pedro Scherer (63) aus Brasilien der erforderlichen Zweidrittelmehrheit schon zum Greifen nahe gekommen? Oder doch der Mailänder Erzbischof Angelo Scola (71)? Hat der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan (63) unerwartet gute Karten? An Gesprächsstoff wird es nicht mangeln.
Nach diesem ersten Wahlgang wurden bis inklusive Freitag täglich zwei Wahlgänge anberaumt. Wenn bis zum Wochenende noch immer kein Papst feststeht, werden die Kardinäle am Samstag einen Tag des Nachdenkens, des Gebets und Gesprächs einlegen. Danach geht es weiter.
Rasches Konklave erwartet
Viele Beobachter rechnen mit einem kurzen Konklave. Die 115 Papstwähler hatten Zeit, sich vorab zu beraten. Die Entscheidung, die sie von der Öffentlichkeit „cum clave“ (mit einem Schlüssel) abgeschlossen zu treffen haben, könnte rasch fallen. Auch wenn es an einem klaren Favoriten diesmal mangelt.
Fest steht nur, dass der Vatikan alles unternimmt, damit diese oberste Personalentscheidung der katholischen Kirche auch wirklich geheim fällt. Eigens installierte Störsender in der Sixtinischen Kapelle sollen die Wege über Handy und Internet vereiteln. Die Schweizer Garde unter ihrem Sarganser Kommandanten Daniel Anrig und die Gendarmerie wachen über den Weg von und zur Casa Santa Marta, wo die Kardinäle ab heute wohnen.
Fest steht auch, dass die klassischen Grabenkämpfe – links gegen rechts, progressiv gegen konservativ – diesmal so nicht Platz greifen werden. Gut, die Traditionalisten sind zuletzt lauter geworden. Aber von den zahlreichen Kardinälen, die sich nach ihrer Anreise in Rom zu Wort gemeldet haben, hat sich nicht einer auch nur ansatzweise polarisierend geäußert.
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn (68), der seine Jugend in Schruns verbracht hat, mahnte sonntagabends vor Journalisten, dass es beim Konklave um den Willen Gottes gehe und nicht um die Besetzung einer Managerstelle. Die Kardinäle seien sich der Tragweite ihrer Entscheidung sehr wohl bewusst: „Noch nie gab es so viele Katholiken weltweit, und gleichzeitig waren wohl noch nie so viele Christen bedrängt und verfolgt.“ Noch nie habe es so viel Kommunikation und gleichzeitig so viel Sprachlosigkeit gegeben.
Schönborn ortet „nahezu übermenschliche Anforderungen an das Petrusamt“, für das auch er selber als realistischer Anwärter gilt.
Noch nie gab es so viele Katholiken weltweit, und gleichzeitig waren noch nie so viele Christen bedrängt und verfolgt.
Kardinal Schönborn


Konklave in Zahlen
Der Bibelwissenschaftler Liborius Lumma von der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck hat im Vorfeld des Konklaves aussagekräftige Zahlen erhoben, die das Gremium der Papstwähler charakterisieren.
» Zahl der Kardinäle, die zum Beginn der Sedisvakanz das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und daher wahlberechtigt sind 117
» Zahl der Kardinäle aus den
katholischen Ostkirchen 4
» Zahl der Ordensleute unter den Kardinälen: 18
davon: Salesianer 4
Franziskaner 3
Jesuiten 2
Dominikaner 2
» Zahl der Kardinäle, die mindestens 78 Jahre alt sind 22
» zwischen 75 und 77 Jahre alt 25
» zwischen 70 und 74 Jahre alt 24
» jünger als 60 Jahre alt 5
» Durchschnittsalter der Kardinäle 71,6 Jahre
» amtierende Diözesanbischöfe 65
» ehemalige Diözesanbischöfe 31
» Mitarbeiter der römischen Kurie 29
» Jahr, in dem letztmalig ein Papst gewählt wurde, der noch kein Bischof war 1830
» Jahr, in dem letztmalig ein Papst gewählt wurde, der nicht am Konklave teilnahm 1522
» Jahr, in dem letztmalig ein Papst gewählt wurde, der kein Kardinal war 1378
» Zahl der italienischen Katholiken pro italienischem Kardinal ca 1,8 Millionen
» Zahl der indischen Katholiken pro indischem Kardinal ca. 3,4 Millionen
» Zahl der US-amerikanischen Katholiken pro US-amerikanischem Kardinal ca. 6,8 Millionen
» Zahl der nigerianischen Katholiken pro nigerianischem Kardinal ca. 10,4 Millionen
» Zahl der mexikanischen Katholiken pro mexikanischem Kardinal ca. 32,5 Millionen
» Zahl der philippinischen Katholiken pro philippinischem Kardinal ca. 74,8 Millionen
» Zahl der italienischen Kardinäle 28
» Zahl der afrikanischen Kardinäle 12
» Katholiken in Italien ca. 51 Millionen
» Katholiken in Afrika ca. 165 Millionen
» Jahr, in dem letztmalig ein Afrikaner zum Papst gewählt wurde 492