Pluralität ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Liebevoll skizzierte Andreas Rudigier den Weg der Preisträgerin im Dienst der Pluralität.
bregenz. Man stelle sich vor: Ein Zugabteil. Zwei Fahrgäste sitzen drin. Da schieben neue Reisende die Tür auf und treten ein. Die „Alten“ müssen zusammenrücken. Ungern tun die das. Widerwille liegt im Raum. Das hier ist ihr Abteil, die anderen dringen ein. Es braucht Zeit, bis sich die vier aneinander gewöhnen.
Mit einem so alltäglichen Beispiel – bei Hans Magnus Enzensberger entlehnt – baut Andreas Rudigier eingangs seiner Laudatio die Bühne auf für das ewige Stück von Wanderung und Fremdenhass. Er könnte auch anders. Biblisch zum Beispiel. Josef, Maria und das Kind fliehen nach Ägypten. Dem Evangelisten ist das gerade mal einen Satz wert. Die Kunst hat sich das farbiger ausgemalt. Und so findet das Motiv der „Ruhe auf der Flucht“ im alpenländischen Volksmund als „Maria Rast“ seinen Niederschlag. Apropos Maria Rast. „Sie wissen, Maria Rast sperrt zu. Die Asylsuchenden müssen weiterziehen.“ Ein Teil der Gesellschaft brandmarkt sie als Kriminelle. Auch daran erinnert der Direktor des vorarlberg museums. Und blitzartig trägt das Thema große Aktualität und bedrückende Nähe zur Schau.
Minderheitserfahrungen
Diesem Thema hat Eva Grabherr ihr Leben verschrieben. Rudigier zeichnet das Bild des kunstbeflissenen Mädchens inmitten einer fußballbegeisterten Familie. Er kokettiert mit ihrem Ur-Höchster Namen: Grabherr mit zwei „r“. Aber das hinderte sie nicht am Drang aufs internationale Parkett. Die Judaistin arbeitet in London, ist am Sprung nach Berlin. Da tut sich auf, was Grabherr ihr „Gelegenheitsfenster“ nennt.
Rudigier erinnert an den Verein „Aktion Mitarbeit“, der ab 1996 in die gesellschaftliche Entwicklung Vorarlbergs investiert hat. „Die Veränderungsbereitschaft seiner Gesellschaft ist das wirtschaftliche Standortpotential einer Region.“ Dabei darf aber niemand auf der Strecke bleiben. Die Menschenwürde Arbeitsloser war eines der frühen Themen des Vereins.
Diese „Aktion Mitarbeit“ legte nach 2000 den Fokus auf Zuwanderung. Und gewann Eva Grabherr dafür. „Hineinspüren lautete das Zauberwort.“ Fernab von publicityträchtigen Schnellschüssen machte sich Eva Grabherr daran, nicht Fürsprecherin der Migranten zu werden: „Sie sollten selber sprechen.“ Heute weisen 96 Gemeinden 120 Integrationsprojekte vor. Allen, die dahinter stehen, gebühre ein Teil dieses RussPreises, betont Rudigier. Mit der Wahl von Eva Grabherr habe die Jury „die Pluralität in der Mitte der Gesellschaft ankommen lassen“. Offen und respektvoll, selbstbewusst und doch bescheiden – so erlebe er Eva Grabherr. Dass „die Zukunft weiblich ist“, davon ist er überzeugt.