Mit dem Schicksal und dem Meer ausgesöhnt
Monika Feuerstein verlor beim Tsunami vor zehn Jahren ihren Lebensgefährten.
Dornbirn. Die Erinnerungen sind noch immer lebendig, und das werden sie wohl bleiben. Doch der Schmerz ist vergangen. Zehn Jahre nach der mächtigen Flut, die ihr den Lebensgefährten nahm, hat sich Monika Feuerstein mit dem Schicksal und dem Meer ausgesöhnt. „Der Tsunami war ein Naturereignis. Niemand trägt Verantwortung dafür“, stellt Monika Feuerstein ohne Pathos fest. Für sie bedrückender ist heute der Umstand, dass so viel auf der Welt geschieht, das nicht sein müsste. „Tagtäglich passieren Tsunamis, in Familien, überall“, sieht die 58-Jährige ihre eigene Geschichte inzwischen in einem milderen Licht. Vergessen wird sie sie trotzdem nicht.
Teil des Lebens
In der Wohnung von Monika Feuerstein erinnert viel an die Urlaubsreisen, die sie mit ihrem Lebensgefährten Hubert Mathis unternommen hat. „Durch mich entdeckte er die Liebe zum Reisen“, flicht sie mit einem feinen Lächeln ein. Überall sind kleine Andenken zu sehen, liebevoll und mit Bedacht verteilt. Auch für jene Stücke, die das Paar aus Thailand mitbrachte, ist Platz. Monika Feuerstein räumt sie nicht weg. Sie sind Teil ihres Lebens. Genauso wie der Ordner, in dem fein säuberlich alles abgelegt ist, was damals mit der Katastrophe zu tun hatte. Bilder, Dokumente und Zeitungsausschnitte halten das Grauen fest, das an Weihnachten 2004 die Idylle in Khao Lak von einer Minute auf die andere so grausam zerstörte.
Am Ort des Geschehens
Vor fünf Jahren reiste die inzwischen pensionierte Kinderkrankenschwester noch einmal mit ihrem Bruder Kaspar an den Ort des Geschehens. „Der Gedanke kam mir während eines Italienurlaubs“, erzählt Monika Feuerstein. Es war der Geruch des Meeres, der sie dazu verleitete, gemeinsam mit ihrem Bruder Kaspar den schützenden heimatlichen Hafen doch wieder zu verlassen. Bis dahin kam ein Besuch des Unglücksorts für sie nicht infrage. Danach wusste sie: Es war sehr wichtig, jenen Tempel zu sehen, in dem der Leichnam von Hubert vor der Überstellung eingeäschert wurde. Es war gut, mit Menschen zu reden, die den gleichen Albtraum durchlebt hatten. Wie ein Puzzle fügte sich das Bild zusammen. Nun konnte Monika Feuerstein abschließen.
Als große Stütze in all der Zeit erwies sich ihre Schwester Angelika. „Wir haben viele Gespräche geführt. Sie wurde und wird auch jetzt nie müde, mir zuzuhören“, spricht Dankbarkeit aus den Worten von Monika Feuerstein. Zur Familie ihres verstorbenen Lebensgefährten besteht ebenfalls nach wie vor ein inniger Kontakt. Auch die Enkelkinder nennen sie immer noch Oma. Bei diesem Thema gleitet ein Strahlen über das attraktive Gesicht. Monika Feuerstein steht auf, tritt an den Schreibtisch im Wohnzimmer und kommt mit einem kleinen gelben Zettel wieder. Weil er nicht mehr klebt, hat sie ihn auf einen Fotohalter geklammert. Der Zettel zeigt einen von Kinderhand gezeichneten Engel. „Es ist ein Schutzengel“, erklärt Monika. Einer der Enkelsöhne von Hubert, damals acht Jahre alt, hatte ihn auf das Post-it gekritzelt, als die schwerverletzte Frau von Thailand kommend ins Landeskrankenhaus Hohenems gebracht worden war. Die Umrisse des Schutzengels verblassen langsam, im Leben von Monika Feuerstein wird er seine Konturen aber nie verlieren.
Laut den offiziellen Daten des Landes kamen beim Tsunami insgesamt fünf Vorarlberger ums Leben.