Pariser Terroristen sind weiterhin auf der Flucht

Spezial / 08.01.2015 • 23:17 Uhr

Ein weiterer Mord in Paris. Angst vor neuen Anschlägen steigt. Europa reagiert.

paris. (VN) Die Jagd auf die islamistischen Attentäter und ein weiterer Mord in Paris haben Frankreich auch am Tag nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ in Atem gehalten.

Die Regierung mobilisierte am Donnerstag landesweit 88.000 Einsatzkräfte, um die mit Maschinenpistolen bewaffneten Attentäter zu fassen und weitere Terrorakte zu unterbinden. Eine heiße Spur verfolgte die Polizei in Nordfrankreich, doch die verdächtigen Brüder Chérif (32) und Said Kouachi (34) blieben auch weit über 30 Stunden nach dem Terrorakt mit zwölf Toten verschwunden. Ihr mutmaßlicher Komplize Hamid M. (18) hatte sich bereits am Mittwoch in der Kleinstadt Charleville-Mézière nahe der belgischen Grenze der Polizei gestellt, nachdem sein Name im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris im Internet aufgetaucht war. Er beteuert jedoch seine Unschuld.

Nach dem Fund von Molotow-Cocktails und einer Islamistenflagge in einem Fluchtauto in Paris gehen die Ermittler davon aus, dass das Duo weitere Anschläge geplant hatte. Die Polizei nahm neun Personen aus dem Umfeld der Terroristen in Gewahrsam, wie Innenminister Bernard Cazeneuve am Abend bekannt gab.

Polizistin getötet

Für neue Terrorangst sorgte am Donnerstagmorgen eine Schießerei im Süden von Paris, bei der ein Unbekannter eine Polizistin tötete und einen Polizisten verletzte. Cazeneuve sagte, es gebe keinen erkennbaren Zusammenhang zum Anschlag auf „Charlie Hebdo“. Er warnte dennoch, in der derzeitigen Risikolage seien weitere Gewalttaten möglich. Am Sonntag wollen sich führende Politiker der EU und USA zu Anti-Terror-Gesprächen in Paris treffen.

Die Polizei fand in Nordfrankreich das Fluchtauto der mutmaßlichen Attentäter, wie es in Medienberichten hieß. Demnach haben am Morgen gegen 9.30 Uhr zwei Männer eine Tankstelle bei Villers-Cotterêt überfallen. Es sollen nach Darstellung des Besitzers der Tankstelle die Attentäter gewesen sein. Die Polizei durchkämme die Gegend um den Wald von Longpont, wie die Zeitung „Le Monde“ schrieb.

In ganz Frankreich gab es am Tag der nationalen Trauer eine Schweigeminute für die Opfer. Tausende hielten Plakate mit dem Schriftzug „Je suis Charlie“ (Ich bin Charlie) hoch. Die Glocken der Pariser Kathedrale Notre-Dame erklangen, Staatspräsident François Hollande forderte die Franzosen auf, in dieser schweren Zeit zusammenzustehen. Parteien, Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen riefen die Menschen zu einem Solidaritätsmarsch am Sonntag auf. Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, beklagte, ihre Partei sei von dem Bündnis ausgeschlossen worden. Auch der UN-Sicherheitsrat gedachte der Opfer des Terroranschlags auf „Charlie Hebdo“.

Verdächtige überwacht

Die beiden Männer stammen aus Paris und haben die französische Staatsbürgerschaft. Sie sind nach Angaben von Cazeneuve überwacht worden. Dabei habe es allerdings keinerlei Hinweise auf geplante Terrorakte gegeben, sagte der Innenminister: „Wir treffen hundertprozentig Vorsichtsmaßnahmen, ein Null-Risiko gibt es aber nicht.“

Unterdessen haben zahlreiche europäische Staaten ihre Terrorwarnstufen erhöht und die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Und die EU-Kommission hat eine neue Anti-Terrorstrategie angekündigt, innerhalb der nächsten Monate werde eine solche „europäische Agenda für Sicherheit“ vorgestellt. Am Abend gingen in der französischen Hauptstadt wieder Tausende Menschen auf die Straße. Sie versammelten sich auf dem riesigen Platz der Republik, nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt, zum stummen Protest.