Ein ganzes Dorf auf den Beinen

Wahlen, Erstkommunion und Laufveranstaltung hielten Einwohner von Stallehr auf Trab.
stallehr. Knapp 1,65 Quadratkilometer groß, 294 Einwohner und ein Gasthaus: Das sind die Eckdaten der Gemeinde Stallehr. Sie ist damit die zweitkleinste Kommune des Landes. Am gestrigen Sonntag war es aber selbst dort vorbei mit der Beschaulichkeit, zumindest am Vormittag. Bundespräsidentenwahl, Erstkommunion und „Bludenz läuft“ sorgten dafür, dass fast das ganze Dorf auf den Beinen war. „Die Feuerwehr ist schon da gewesen“, berichtet Bürgermeister Matthias Luger. Da ist es gerade einmal neun Uhr. Die Florianijünger zählten demnach zu den ersten Stimmbürgern im Wahllokal. Kein Wunder, sie wurden für Absperrmaßnahmen bei der Laufveranstaltung in der benachbarten Stadt gebraucht.
Wenig Leerlauf
Auch die Mitglieder des Harmoniemusikvereins liefen nacheinander ein. Sie hatten ihren großen Auftritt bei der Erstkommunion in der Pfarrkirche Bings und mussten schon deshalb pünktlich aufmarschieren. Nach drei abwechslungsreichen Stunden mit relativ wenig Leerlauf schloss Luger die Pforten, und die Wahlkommission konnte mit der Auszählung der abgegebenen Stimmen beginnen. Und siehe da: Sogar die laut Luger tendenziell schwarze Gemeinde Stallehr bekam an diesem Wahlsonntag ein blaues Mäntelchen umgehängt.
Insgesamt 210 Wahlberechtigte listete das Wählerverzeichnis von Stallehr auf. Gut 60 Prozent von ihnen fanden an diesem kalten, zum Teil auch verschneiten Sonntagvormittag den Weg ins Wahllokal. „Bei Bundespräsidentenwahlen ist die Beteiligung meist geringer als bei anderen Wahlen“, erzählt Matthias Luger, der seit einem Jahr das Bürgermeisteramt in Stallehr bekleidet. Davor stand sein Vater, Bertram Luger, der kleinen Kommune als Oberhaupt vor. „Nach dreißig Jahren einmal nicht in der Wahlkommission“, meint der lachend und sichtbar froh, nach der Stimmabgabe gleich wieder den Heimweg antreten zu können.
Viele junge Wähler
Normalerweise ist der Gottesdienst um neun Uhr morgens angesetzt. Doch wegen der Erstkommunion in Bings, an der auch sechs Kinder aus Stallehr teilnehmen, beginnt er an diesem Sonntag erst um zehn Uhr. Entsprechend rege ist der Zulauf im Wahllokal vor der Messe. Zuweilen bildet sich vor der Wahlzelle ein regelrechter Stau. Erstaunlich groß die Zahl junger Leute, die sich für die Wahl aus dem Bett geschwungen haben. „Ja, die Jungwähler machen wirklich brav von ihrem Wahlrecht Gebrauch“, kann der Bürgermeister bestätigen.
Andere sind früh aufgestanden, weil sie nach Bludenz müssen, wo sich derweil über 4000 Teilnehmer schon für den Halbmarathon und andere Laufbewerbe rüsten. Jerome ist ebenfalls angemeldet und sprintet deshalb in Laufschuhen und Trainingsanzug ins Wahllokal. Auch Sascha hätte gerne bei „Bludenz läuft“ mitgemacht. Den Obmann der Harmoniemusik rufen aber für einmal statt sportlicher musikalische Pflichten. Doch er trägt es mit Humor.
Im Schaufenster
Die einen wissen bereits, wem sie ihr Kreuzchen geben, andere stehen unschlüssig im Wahllokal und überlegen noch. Zu ihnen gehört auch Sigi. „Eigentlich hat mich keiner der Kandidaten so richtig angesprungen“, sagt er mit einem Schulterzucken, ehe er die Wahlzelle betritt. Conny hingegen weiß seit einer Woche, wen sie wählen wird. „Ich habe den Wahlkampf verfolgt und viel darüber gelesen. Dadurch konnte ich mir ein gutes Bild von den Kandidaten machen.“ Sie hält das Wählen für eine Bürgerpflicht, weshalb sie keine Wahl auslässt. Nur einmal sei sie zu spät gewesen. Da waren die Türen des Wahllokals bereits zu. „Wir müssen die Zeiten genau einhalten“, merkt Bürgermeister Matthias Luger dazu an.
Als die Pfarrkirche von Bings zum feierlichen Gottesdienst ruft, reißt der Strom der Wähler langsam ab. Nur noch vereinzelt tröpfeln sie in den Vorraum des Davennasaals, wo die Wahlkommission buchstäblich im Schaufenster sitzt. Was den Vorteil mit sich bringt, dass ein paar, die draußen noch angeregt diskutieren, mit Winken auf die baldige Schließung aufmerksam gemacht werden können. „Sin scho viel do gsi?“, fragt eine Wählerin. Von 210 Wahlberechtigten waren es immerhin 125. Um 10.30 Uhr schließt Matthias Luger die Tür, eine halbe Stunde später sind die Stimmen ausgezählt. Für die Stichwahl am 22. Mai muss dann ein anderes Wahllokal gesucht werden. An diesem Termin gehört der Davennasaal der Feuerwehr. „Wir weichen einfach ins Musikheim aus“, hat Luger auch schon eine Lösung parat.
Jungwähler machen brav von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Matthias Luger, Bgm. Stallehr


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