“War komplett am Boden zerstört”

Die Amerikanerin Kristen Gilbert macht sich nach dem Wahlsieg Trumps Sorgen um die USA.
dornbirn. (VN-ram) Die 35-jährige US-Amerikanerin Kristen Gilbert kann nicht glauben, dass Donald Trump die US-Präsidentenwahl gewonnen hat. „Das ist absolut unfassbar“, sagt die Lehrerin, die seit sieben Jahren in Österreich lebt und am Bundesrealgymnasium Schoren in Dornbirn Englisch und Chemie unterrichtet. „Ich habe ein immer schlimmeres Gefühl bekommen, als die Wahlergebnisse in den Bundesstaaten nach und nach bekannt geworden sind. Sobald dann klar war, dass Trump gewonnen hat, war ich am Boden zerstört“, fasst sie ihr Entsetzen in Worte. Ihre Lehrer-Kollegen an der Schule hätten sie später getröstet. „Aber ich mache mir nach wie vor große Sorgen.“
Per Briefwahl gewählt
Gilbert, die ursprünglich aus dem US-Staat Illinois kommt und später in Ohio lebte, hat bereits vor längerer Zeit ihre Stimme per Briefwahl abgegeben. Dass sich die Demokratin Hillary Clinton nicht gegen Trump durchsetzen konnte, liegt ihrer Ansicht nach am Hass vieler Menschen auf das Establishment. Die ehemalige Außenministerin sei als Teil der Maschinerie in Washington wahrgenommen worden. Aber auch der Frust über den demokratischen Amtsinhaber Barack Obama ist Gilberts Ansicht nach alles andere als zu unterschätzen. „Viele Menschen haben etwas gegen den ersten afroamerikanischen Präsidenten. Auch wenn sie sich das selbst wahrscheinlich nicht eingestehen würden“, glaubt die 35-Jährige. Dass trotz der meisten Prognosen zugunsten Clintons letztlich Trump als Sieger hervorgegangen ist, zeige, dass „man den Umfragen einfach nicht mehr vertrauen kann“.
Nun glaubt die junge Lehrerin, dass ein Präsident Trump – ausgerüstet mit der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat – alle Errungenschaften seines Vorgängers wieder rückgängig machen könnte. „Ich befürchte nun, dass meine beste Freundin Obamacare, also die unter Obama eingeführte allgemeine Krankenversicherung, verlieren könnte“, sagt Gilbert. Auch meint sie, dass der Immobilienmilliardär sämtliche Maßnahmen gegen den Klimawandel rückgängig machen könnte und es für die Minderheiten in den USA generell schwieriger werde.
Supreme Court als Grund
Besonders frustrierend für die Amerikanerin ist die Tatsache, dass viele ihrer Bekannten und Verwandten in Ohio für Trump gestimmt hätten. Im sogenannten „Swing State“ war der Republikaner am Dienstag (Ortszeit) siegreich hervorgegangen. „Ich verstehe nicht, wie die Leute ausgerechnet jemanden wie Trump wählen können“, sagt Gilbert. Als sie nachgefragt habe, sei ihr als Begründung immer wieder die Besetzung des Supreme Courts genannt worden. „Viele Menschen haben sich davor gefürchtet, dass eine Präsidentin Clinton einen liberalen Richter nominieren könnte.“ Im neunköpfigen Höchstgericht ist zurzeit einer der neun Sitze unbesetzt. Viele Republikaner hatten sich besorgt gezeigt, dass die Demokraten die Mehrheit im Senat gewinnen könnten und Clinton mit einer möglichen demokratischen Senatsmehrheit dem einflussreichen Gremium ihren Stempel aufdrücken könnte. Letztendlich ist es am Wahltag aber anders gekommen.
Bereits bei Brexit schockiert
Bereits als die Mehrheit der britischen Bürger am 23. Juni für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gestimmt hatte, sei sie schockiert gewesen, sagt Gilbert. „Aber gleichzeitig habe ich mir gedacht: Die Wahl in den USA wird ganz anders. Da habe ich mich getäuscht.“ Nun blickt sie pessimistisch in die Zukunft der Vereinigten Staaten. „Ich hoffe nur, dass wenigstens Europa etwas aus diesem US-Wahlergebnis lernen kann“, betont die 35-Jährige.
Ich hoffe, dass Europa etwas aus dem US-Wahlergebnis lernt.
Kristen Gilbert